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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Das Hofzeremoniell der Prinzessin Anna Wilhelmine

Von ANNETTE GENS 10.05.2011, 18:03

MOSIGKAU/MZ. - Respekt! Das wurde denjenigen eingeflößt, die nichtadlig bei Anna Wilhelmine zu Anhalt-Dessau (1715- 1780) im Mosigkauer Schloss vorsprechen durften. Das Vorzimmer verfügte nur über wenige Stühle, so dass die Wartenden bis zur Audienz stehen mussten und genügend Zeit hatten, die Vorfahren der Prinzessin auf prächtigen Gemälden in Augenschein zu nehmen.

Inwieweit dies Eindruck hinterlassen und Auswirkungen auf das sich anschließende Gespräch hatte, ist nicht überliefert. Das Vorgehen bei Hofe unterscheidet sich jedoch im Mosigkauer Schloss kaum von anderen Höfen in Europa. Es gab feste Regeln und Riten. Dazu gehörte, dass die Wartenden auf eine Audienz nach dem Stande der Personen in unterschiedliche Zimmer gewiesen wurden. Und überhaupt: Nichts ging ohne die oberste Hofdame, im Falle der anhaltischen Prinzessin war dies Eleonore Bernhardine von Printzen.

Umbau im Winter

Mit dem Start in die neue Saison zeigt sich Schloss Mosigkau von einer neuen Seite. Im Winter wurden hinter verschlossenen Türen Stühle und Tische gerückt und die Ausstattung teils verändert und aufgemöbelt. Möglich geworden ist dies durch die Erschließung zweier bisher unzugänglicher Räume des Schlosses. Wer sich jetzt durch das Museum führen lässt, der erhält Einblicke in das Hofzeremoniell, wie es zu Zeiten der Lieblingstochter des Alten Dessauers gepflegt wurde.

Monatelang hat Stiftungs-Mitarbeiterin Kristina Schlansky ein Konzept erarbeitet, welches die auf Porzellan spezialisierte Kunsthistorikern mit Unterstützung von Carl Ludwig Fuchs und der stiftungseigenen Restaurierungswerkstatt umsetzte. Die Ausstattung ist gelungen, "aber längst nicht vollkommen", erinnert Fuchs daran, dass die Stiftung dankbar für jeden Sponsor sei, weil für Mosigkau acht Kristalllüster angeschafft werden müssten. Die Kosten sind immens.

Streng getrennt waren bei Hofe die offiziellen und privaten Räume der jeweiligen Herrscher. Insofern bildet auch Anna Wilhelmine von Anhalt-Dessau keine Ausnahme. Im Parterre des Schlosses befanden sich verschiedene Kabinette für die Wartenden höheren und niederen Standes. Letztere konnten sich die Zeit an Spieltischen vertreiben.

Dass die Prinzessin in Mosigkau über ein Audienzzimmer verfügt haben muss, steht außer Zweifel. Nur war dies in den bisher eingerichteten Räumen nicht zu sehen. Lindgrün und überaus prächtig sind nun Wände wie Stuhlpolster dieses Raumes bezogen. In der Mitte auf einem Podest steht der Sessel der Herrscherin von Mosigkau.

Mit Bedacht sind die Bilder an den Wänden platziert. Weil die Prinzessin nach dem Tod ihres Bruders und der Schwägerin zwischen 1751 und 1768 die erste Dame bei Hofe war, schaut das ehemalige Fürstenpaar respektvoll auf das Tun der Schwester, die mit der Volljährigkeit ihres Neffen die Amtsgeschäfte ruhen ließ und Mosigkau fürderhin nur als Sommerresidenz nutzte.

Schokolade und Konversation

Im sich anschließenden großen Kabinett soll die Prinzessin besonders nahe stehende Freunde wie Weltenreisende empfangen haben. Zur Konversation wurde Schokolade oder Tee gereicht. Und das Auge konnte sich an ausgewähltem Porzellan satt sehen. Im Sekretär der Prinzessin steht noch heute eine Seltenheit. Anna Wilhelmines Schreibzeug ist aus Altwiener Porzellan und stammt aus dem Jahr 1730, verweist Schlansky auf Außergewöhnliches in Mosigkau. Dazu gehört auch der Festsaal, der während des Umräumens unberührt geblieben ist.

Die sich anschließenden Räume zeigen sich aber in verändertem Gewand. Spiegel aus den Depots der Kulturstiftung verschönern den Gesellschaftsraum. In schlichter Eleganz wird das Reich der Eleonore Bernhardine von Printzen präsentiert. Ein Wirtschaftsschrank weist darauf hin, dass sie Porzellan, Besteck und Tischwäsche verwaltete. Am Sekretär hat das Fräulein penibel Buch geführt. Fräulein von Printzen bewohnte auch noch weitere Räume, in denen dargestellt wird, dass auch Hofdamen Bedürfnisse hatten und dafür ein mit Samt bezogener Sessel zur Verfügung stand.

Das Schloss Mosigkau ist in diesem Jahr 60 Jahre Museum, was ein Anlass für die Verwandlung der Zimmer und Räume gewesen sein mag. Der andere ist ein Glücksfall. Denn mit dem Dessauer Carl Ludwig Fuchs stand der Kulturstiftung ein erfahrener Kunsthistoriker zur Seite, ein Kenner von Abläufen an herrschaftlichen Höfen. Während Kristina Schlansky im Vorfeld zahlreiche Schriften in den Archiven auswertete, ist Fuchs ein Kenner des Hofzeremoniells des 17. und 18. Jahrhunderts. Vor Jahren richtete er ein Schloss bei Heidelberg ein, nun bot er als Mitglied der Freunde des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs in Mosigkau seine Hilfe an. Wohlgemerkt ehrenamtlich. Respekt!