"Dessau ist ein Dorf geworden" "Dessau ist ein Dorf geworden": Warum Kunden nachts kaum ein Taxi bekommen

Dessau-Roßlau - Zum Oktoberfest im Forsthaus Leiner Berg stehen zu späterer Stunde mehrere Menschen an der Straße und warten.
Sie haben Taxis gerufen, aber die kommen einfach nicht. Frustration macht sich breit. „Haben unsere Taxiunternehmen das Geschäft nicht nötig?“ fragt der Dessauer Volker Reimann. Mehrere Bürger mussten an diesem Abend nach Hause laufen.
Ob Oktoberfest, Fasching oder private Veranstaltung: Immer wieder berichten Leser der Mitteldeutschen Zeitung von ihren Problemen, in Dessau-Roßlau am Abend ein Taxi zu bekommen. Oft scheint die Zentrale der Unternehmen nachts überhaupt nicht besetzt zu sein. Was ist da los in der Bauhausstadt?
Taxiunternehmen kennen die Kritik - und können doch wenig machen
Die Taxiunternehmen der Stadt kennen die Kritik. Viel ändern an der spärlichen Versorgung in den späten Nacht- und frühen Morgenstunden lasse sich jedoch nicht. „Wir haben einfach nicht genug Kundschaft zu diesen Zeiten“, erklärt Michael Holzapfel vom Dessauer Taxiverband Muka. Daher könne es sich kein Unternehmen leisten, nachts Fahrer für zehn oder zwölf Euro die Stunde allein für den Fall der Fälle in Bereitschaft zu halten. Dessau sei zum Dorf geworden in den letzten Jahren, meint Holzapfel. „Es hat nachts nichts offen, keine Gaststätten, und Züge fahren auch nicht.“
Beschwerden kämen vor allem von einzelnen Leuten, die vielleicht zweimal im Jahr spät Abends ein Taxi brauchten, so Holzapfels Sicht der Dinge. Grundsätzlich stünde aber auch für solche Fälle ein Fahrer bereit, versichert er: „Die Zentrale ist nachts besetzt und es ist immer ein Fahrzeug im Stadtgebiet unterwegs.“ Dass kein Taxi in den Randzeiten zu bekommen sei, stimme nicht. Lange Wartezeiten räumt Holzapfel aber ein.
Stadt: Man muss zu jeder Zeit ein Taxi erreichen können
Die Stadt als Konzessionsgeber ist gerade im Bauhaus-Jubiläumsjahr interessiert daran, dass die Taxiversorgung in der Stadt auch in den Nachtstunden gut funktioniert. „Man muss zu jeder Zeit ein Taxi erreichen können“, betont Stadtsprecher Carsten Sauer. Dramatisierte sich die Situation, würde die Stadt eingreifen, erklärt Sauer. Sie könnte dies etwa über ihre Satzung tun.
Hiervor warnt Michael Holzapfel. „Wenn wir dazu verpflichtet werden, mehr Fahrer in der Nacht zu beschäftigen, bedeutet das unseren Bankrott.“ Gegen solch eine Verpflichtung würde er rechtlich vorgehen.
Dessau-Roßlau ist nicht allein mit den Taxi-Problemen
Allein ist Dessau-Roßlau jedenfalls nicht mit seiner nächtlichen Taxi-Not. In Köthen wird nach Informationen der MZ nachts an Wochentagen überhaupt kein Taxifahrer auf Bereitschaft gehalten. Begründung: Es ist zu wenig los, da lohnen die Kosten nicht. Die „Volksstimme“ in Magdeburg berichtet, dass nachts und am Wochenende 20 Taxis in der Landeshauptstadt im Einsatz seien.
Dafür gibt es noch einen anderen Grund: Die Unternehmen haben Nachwuchsprobleme. Der Inhaber eines Dessauer Taxiunternehmens bestätigt, dass Taxifahrer gesucht werden: „Wir werden teilweise sehr negativ bewertet. Kaum jemand will sich dem Risiko von Nachtschichten aussetzen und zum Mindestlohn unterwegs sein.“ Mehr Lohn gebe das Geschäft jedoch nicht her.
Auch Thomas Henschel, Vorsitzender des Stadtverbandes der Magdeburger Taxiunternehmen, kann das bestätigen. „Sie brauchen heute niemandem mehr mit einem Job zu kommen, in dem man an Wochenenden, Feiertagen und auch nachts arbeiten muss. Das macht keiner mehr“, sagte Henschel der Magdeburger „Volksstimme“.
Stadt hat seit 1992 keine neuen Konzessionen mehr vergeben und hält daran fest
Eine grundsätzliche Unterversorgung in Sachen Taxi besteht in Dessau-Roßlau trotzdem nicht. Laut Stadt ist sogar eher das Gegenteil der Fall. „Es gibt seit der Wende ein Überangebot“, sagt Carsten Sauer. Deshalb seien seit 1992 auch keine neuen Konzessionen mehr vergeben worden, so Sauer weiter: „Der Grund dafür ist die sinkende Einwohnerzahl der Stadt. Das Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und Taxen muss gewahrt bleiben. Alles andere lohnt sich nicht.“
Dessau-Roßlau hatte 2017 insgesamt 16 Taxiunternehmen mit zusammen 47 Taxen. Aktuelle Zahlen konnte die Stadt bis Redaktionsschluss nicht beibringen.
(mz)