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Der Musentempel zittert

Von UTE VAN DER SANDEN 16.02.2009, 19:59

DESSAU/MZ. - Das Programm war schon drei Stunden alt, als die Instrumentalisten der Jugend-Big-Band Anhalt mit ihrem Publikum eine Riesenfete steigen ließen. Plötzlich hatten die Kids dunkle Brillen auf den Nasen und lässige Mützen auf den Köpfen, spielten sie "Celebration" und fielen in einen quietschfidelen Rap. Als hätte der "Kool & The Gang"-Titel ein Ventil geöffnet, hottete Orchesterchef Detlef Metzner jetzt mit E-Gitarre über die Bühne, wedelten lange Mähnen um Köpfe, ließen Mädchen vergnügt ihre Celli kreisen. Es war ein Wippen, Hüpfen, Lachen, Singen und Klatschen im Saal - das ausverkaufte Theater ein Haus der Freude! Das Publikum sprang von den Sitzen.

Zum 15. Gründungsgeburtstag hat sich die Jugend-Big-Band Anhalt nicht lumpen lassen, und dank der großzügigen Unterstützung durch einen namhaften Energiekonzern kann von der Session sogar eine CD hergestellt werden. Der Lohn: volles Haus, begeisterte Zuhörer, stolze Angehörige. 150 Jugendliche waren auf der Bühne versammelt - oben das Streichorchester der Musikschule, auf halber Höhe die Fürst Singers vom Gymnasium "Philanthropinum", unten die Big Band mit Sängerin Pascal von Wroblewsky. Das sah spitze aus, viel besser, als es klang. Die Streicher beispielsweise: Sie strichen eifrig, zu hören waren sie nicht.

Anderthalb Dekaden Ensemblegeschichte - da müssen die "Muldejazzbuben" erst mal hinkommen. Das "Eigengewächs des Anhaltischen Theaters" betrieb nach seiner Gründung zunächst "Jazz für die Katz" und wird nach Aussage des Trompeters Ernstgeorg Hering von Musik am Leben erhalten. Es kam mit New-Orleans-Titeln, Sabine Jeschke und einem Blumenbukett. Das Publikum erwies sich sogleich als Fachklientel und klatschte nach jedem Solo. Ernstgeorg Hering, merkte Moderatorin Dagmar Röse an, habe schon über die 19-jährige Pascal von Wroblewsky gesagt: "Die muss gefördert werden".

Ja dann. In Dessau bewies die Vokalistin, dass sie nicht nur eine exzellente Jazzsängerin, sondern auch imstande ist, Musiker und Publikum mitzureißen. Den frischen, hitzigen, cleveren Sound der Big Band parierte sie durch viele Blue Notes, sang mit ausgesprochenem Vergnügen Titel wie den Cole-Porter-Song "I've got you under my skin", James Browns "I feel good" oder Stevie Wonders "Superstition" im Arrangement von Peter

Herbolzheimer - und trat doch immer wieder hinter den Soli der Nachwuchstalente zurück.

Lukas Benecke glänzte am Tenorsaxofon, danach wurden die jüngsten Big Band-Musiker vorgestellt: der neunjährige Konrad und Charlotte, zehn Jahre alt und die Nichte des Stadtoberhaupts. "Um den musikalischen Nachwuchs", konstatierte Onkel Koschig, "muss uns hier nicht bange sein."

Neben dem Flügelhorn spielenden Oberbürgermeister barg der Abend viele weitere Überraschungen. Wenn Dagmar Röse, Studioleiterin des MDR-Studios Dessau-Roßlau, nicht wusste, "was jetzt passiert", regelten die Musiker den Fortgang des Programms unter sich, notfalls per Handzeichen. "Oh, jetzt kommt ein ganz schönes Lied", meldete der Stargast nach einem Blick in die Noten und machte mit Amii Stewarts "Knock on Wood" weiter. Mal musizierten Pascal von Wroblewsky und Sabine Jeschke mit der Big Band, mal mit der Muldecombo, mal im Duett. Der helle Sopran der Choristin, dazu die Röhre der Jazzsängerin mit dem riesigen Stimmumfang - das klang adrett. Die Jugend-Big-Band Anhalt war ausgezeichnet vorbereitet und hat sich musikalisch von ihrer besten Seite gezeigt. Wohin die Mitwirkung in dieser Formation führen kann, demonstrierte Sebastian Gille mit famosen Saxofon-Soli. Er hat sich inzwischen in die Big Band des Norddeutschen Rundfunks hochgearbeitet.

Was sonst noch geschah: Die Streicher hatten neckische Schleifchen in die Spitzen ihrer Bögen gebunden. Das Städtische Klinikum richtete das Büfett für die After-Show-Party aus. Pressedramaturg Frank-Uwe Orbons absolvierte seinen ersten Einsatz als Theaterfotograf. Vermittels eines Kamerakrans von eindrucksvollen Ausmaßen zeichnete der Offene Kanal Dessau die Show auf. Alle Ansagen zur Reputation des Theaters wurden unverzüglich mit Beifall bedacht. Dagmar Röse sprach von einem "wunderbaren Haus", Ernstgeorg Hering von einem "ganz tollen Haus", das "erhalten bleiben muss", der Oberbürgermeister von einem "wunderbaren Haus mit fantastischem Ensemble". Nachdem die Muldejazzbuben "Everybody loves saturday night" gesungen hatten, fand Dagmar Röse, sie hätten "jetzt genug Gruppenbildung betrieben". Auch dafür gab es Applaus. Verwaltungsleiter Joachim Landgraf trug eine riesige Torte herein, obenauf ein Bild der Big Band.

"Danke, es war ein großartiger Abend", gratulierte Moderatorin Dagmar Röse, bevor es auch ein schöner wurde. Dem ist nichts hinzuzufügen.