Demo vor Firmensitz
Dessau/MZ. - Niemand aus der Umgebung fragte nach dem, was die Demonstranten auf ihren Transparenten formuliert hatten. Der ehemalige Arbeitgeber der Familienväter, gegen den sich die Demonstration richtete, ließ sich nicht blicken.
"Ich gehe jeden Tag arbeiten und bin arm", "Wir kämpfen nur um unsere Existenz" lauten die Botschaften auf den Plakaten der neun Demonstranten. "Ich gehe arbeiten, aber nicht für Dich", lassen sie ihren Ex-Chef wissen, dem sie vorwerfen, mehr als erlaubt ist, auf ihrem Rücken gewirtschaftet zu haben.
"In diesem Staat läuft irgendetwas schief", ist Hubert Weller sauer. Er sei arbeiten gegangen "und ich bin trotzdem arm", erzählt der Dessauer, der bis zum Juli Fernfahrer bei dem Unternehmen war, das in Kochstedt seinen Firmensitz hat. Der Lohn sei selten pünktlich gekommen. Was seine eigene Familiensituation belastete. Auch deshalb kündigte Weller diesen Job. Nach Absprache mit dem Arbeitsamt, um eine Sperre des Arbeitslosengeldes zu vermeiden.
Indirekt hat er jedoch noch heute mit seinem Ex-Chef zu tun. Der Gerichtsvollzieher, so Weller, stand im August vor seiner Wohnung und treibt seitdem regelmäßig Raten "in der Zwangsvollstreckungssache Oberfinanzdirektion Magdeburg, Landeshauptkasse Dessau" für Vergehen auf der Autobahn ein. Dies seien Mautstrafen, die aber nicht nur auf sein Fehlverhalten zurückzuführen seien. Weswegen er gegen seinen Ex-Chef Anzeige erstattet hat. Außerdem klagt der Fernfahrer auf ausstehendes Gehalt. Rund 1 900 Euro stünden ihm noch zu.
Noch viel ärger hat es offenbar Sven Taube aus dem Landkreis Köthen getroffen. "Ich habe einen leeren Kühlschrank - das ist jetzt kein Witz", sagt der Fernfahrer, der bis zum Ende des Sommers bei dem gleichen Unternehmen beschäftigt war. Bis der Chef gesagt habe, es sei Schluss. Das Unternehmen hat inzwischen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Dessau gestellt - entschieden ist darüber jedoch noch nicht.
Ende Oktober ist Sven Taube das Konto gepfändet worden. Der Gläubiger, das Bundesamt für Güterverkehr, hält sich an den Fahrer des Lkw, der unter anderem am 23. Dezember 2005 auf der A 14 bei Calbe kontrolliert worden war. Mautgebühr für den Lkw war jedoch nicht entrichtet worden. Gleiches ergaben Kontrollen am 19. Mai 2006 auf der A 6 in Schwabach-West oder am 7. Februar 2006 auf der A 4 bei Erfurt. Sven Taube schildert das in seiner Erklärung an das Bundesamt für Güterverkehr so: Jedes Mal, wenn sich das Mautgerät während der Fahrt auf Rot umstellte, habe er seinen damaligen Chef informiert. Dieser versprach daraufhin, ihn neu einzuloggen. Einen entsprechenden Code habe er Stunden später für eventuelle Kontrollen mitgeteilt bekommen, worauf er sich guten Glaubens verließ. Dass das Fahrzeug nur für einen viel kürzeren Streckenabschnitt angemeldet sein könnte, als den, welchen er noch zurückzulegen hatte, sei ihm nicht in den Sinn gekommen.
Sven Taube ist seiner Aussage nach derzeit völlig mittellos. Das Konto sei leer, nachdem Forderungen von über 600 Euro auf ihn zugekommen waren. "Was noch alles passieren könnte, kann ich gar nicht überblicken", sagte er nach der Demonstration in Kochstedt.
Wellers und Taubes Ex-Chef empfindet es als eine Frechheit, dass die Demonstration vor seinem Gebäude vom städtischen Amt für Ordnung und Verkehr genehmigt wurde. Damit werde nicht nur er, sondern seine Familie in den Schmutz gezogen. Gegen seine ehemaligen Mitarbeiter habe er Strafanzeige gestellt, so der Unternehmer. Weshalb, das ließ er offen.