Soziales Gemeinschaftsprojekt Das Kiez in Dessau-Nord wird 30 - und hat noch viel vor
Warum das Herzensprojekt der 1990er zwar in die Jahre gekommen ist, aber immer noch viel bewegt. Und das nicht nur im Gründungsort Dessau-Nord.

Dessau/MZ - Das kulturelle Informations- und Einwohnerzentrum (Kiez) in Dessau-Nord putzt sich heraus für sein großes Jubiläum. Der 30. Geburtstag steht an.
Angefangen hat alles mit der Besetzung des Abrisshauses Bertolt-Brecht-Straße 29. Junge Architekten um Jens Fischer wollten das Haus retten - und taten dies auch. Es war ein Gemeinschaftsprojekt junger Leute, das beispielhaft für Dessau werden sollte. Ein soziokulturelles Zentrum entwickelte sich, das zunächst seinen Wirkungskreis im vernachlässigten Stadtgebiet Nord sah, wo es unter anderem an Angeboten für Kinder und Jugendliche fehlte.
1991 gründete sich der Kiez-Verein als Träger des Kulturellen Informations- und Einwohnerzentrums
Im August 1991 gründete sich der Kiez-Verein als Träger des Kulturellen Informations- und Einwohnerzentrums. Im Haus etablierte sich ein Café, das schnell zum Anlaufpunkt für Jugendliche aus der ganzen Stadt wurde. Hier wurden die ersten Filme gezeigt. Ein Jugendbereich entstand im Dachgeschoss, aufgebaut von Axel Weiß, der heute das Projekt des Kinder- und Jugendzirkus „Raxli Faxli“ leitet. Er ist der dienstälteste Mitarbeiter. Ab 1994 sanierte der Verein die Kriegsruine auf dem Nachbargrundstück, um eine Kleinkunstbühne plus Kino zu etablieren. Weitere Projekte entstanden.
Robert Ralph, zweiter Vorstand des Kiez-Vereins, kennt die Anfänge nur aus Erzählungen. Bekanntschaft mit dem Kiez machte er aber bereits als 14-jähriger Schüler. Bei den „lockeren Handgelenken“, die Axel Weiß gegründet hatte, lernte Ralph das Jonglieren. Und nicht nur das. „Das ganze Haus war ein Erlebnis“, erzählt er. „Der PC-Raum, Kino, die Jugendetage, die Atmosphäre.“
„Es steckt mehr im Kiez als das Café und das Kino“
Als er vor zwei Jahren gefragt wurde, ob er nicht als Vorstandsmitglied zum Kiez zurückkehren möchte, „habe ich dieser Bitte gern entsprochen“. Gemeinsam mit Burkhard Petersen steht er heute an der Spitze des Vereins.
Der Generationswechsel ist also geglückt, Krisen wurden überwunden. „Es steckt mehr im Kiez als das Café und das Kino“, sagt die Künstlerin Johanna Bartl., deren Galerie Otto Koch sowie die Gedenkkultur Werkstatt feste Projekte im Kiez sind.

Ebenso haben der Offene Kanal, der Verein „Helfende Hände“, Raxli Faxli ihre Wurzeln im Kiez. „Das Kiez ist eine echte Projektschmiede, viele sind hier groß geworden und wirken jetzt selbständig für die ganze Stadt“, sieht Robert Ralph eine Spezifik des Kiez-Vereins.
Mit einem Förderprogramm unterstützt das Land die Sanierung und Restaurierung von Vereinsobjekten
Im Jubiläumsjahr wird sich viel tun sein im und am Kiez. „Wir haben die Coronapause genutzt, um im Haus ein bisschen zu renovieren und den Hofgarten wieder zu aktivieren“, berichtet Ralph. Dank Förderprogrammen von Bund und Land konnte der Verein auch größere Projekte angehen. So erhielt der Verein aus dem Neustart-Programm des Bundes für das Programmkino 28.000 Euro, womit ein digitaler Kinoserver, Leinwand und Boxen sowie Laptops angeschafft wurden.
Mit einem Förderprogramm unterstützt das Land die Sanierung und Restaurierung von Vereinsobjekten. Mit einem 11.000 Euro-Zuschuss wird im Hof ein Gewächshaus zur Schalldämmung zum Nachbargrundstück errichtet werden. Das Besondere daran: Verbaut werden ehemalige Bauhausfenster der 1976-er Sanierung. Im Hof wird eine Trennwand aus Recyclingmaterial wieder hergestellt. Auch die Holzfenster des Kiez-Hauses sollen saniert und restauriert werden.
„Wir hoffen, dass uns die Stadt mit einem kleinen Geburtstagsgeschenk helfen kann“
Stillstand wird es in der Bertolt Brecht-Straße 29/29a also auch künftig nicht geben. „Wir wollen wieder ein Zentrum für Kultur und Kleinkunst werden und das Kiez-Kino auch wieder als Bühne und Veranstaltungsraum nutzen“, erklärt Vorstandsmitglied Robert Ralph ein Ziel. Dazu müsse aber das Langzeitproblem mit der Abluft gelöst werden. Die Abluftanlage führt nämlich nicht nach draußen, sondern durch das Wohnzimmer der Wohnung darüber.
„Der Mieter dort ist also immer live dabei, ob er will oder nicht“, erklärt Robert Ralph. Durch Umbau der Anlage nach außen und dem Herabhängen der Kinodecke wolle man den Geräuschpegel senken. Die circa 20.000 Euro, die das kosten würde, hat der Verein nicht. „Wir hoffen, dass uns die Stadt mit einem kleinen Geburtstagsgeschenk helfen kann“, sagt der Vorstand. Ein Förderantrag für die Stadt sei in Vorbereitung.