Das blonde Häppchen wirft einen Blick zurück
ROSSLAU/MZ. - In ihren zur Buchmesse in Leipzig erschienenen Memoiren beschreibt sie sowohl die dramatischen Zeiten ihrer Kindheit, aber auch Geschichten und Zufälle beim Erklimmen der Karriereleiter. Am Freitag gab die Schauspielerin, besonders bekannt aus der TV-Fernsehserie "Zahn um Zahn" nicht nur Autogramme, sondern auch erste Einblicke in ihr Leben.
Gemeinsam mit der Roßlauer Buchhandlung "Büchereck" hatte die Stadtbibliothek Roßlau die Berliner Schauspielerin eingeladen und konnte zahlreiche Gäste in der Kinderbibliothek begrüßen. "Wir kennen sie alle aus Funk und Fernsehen", mit diesen Worten begrüßte Karin Weinmann die Zuhörer und übergab sogleich das Wort dem Hauptgast des Nachmittages.
Helga Piur, die gemeinsam mit ihrem Mann Günther Stahnke gekommen war, ließ es sich nicht nehmen erst einmal zu erzählen, wie das Buch entstand. Fans und Zuschauer fanden ihre Episoden über die Arbeit mit ihren Kollegen nicht nur interessant, sondern manchmal auch recht amüsant und ermunterten sie, diese aufzuschreiben. So kam es zum Buch.
Mit Charme und Humor berichtete Piur von den zwei Seelen in ihrer Brust. Schon als junges Mädchen brachte sie ihre Pflegeeltern oft an den Rand der Verzweiflung und forderte von ihren Mitmenschen eine gehörige Portion Gelassenheit.
Sowohl ihr ausgeprägter Ehrgeiz und auch viele Glücksfälle hätten sie zudem gemacht, was sie heute ist. Als Jüngstes von sechs Kindern und einziges Mädchen war sie in den ersten fünf Lebensjahren niemals einsam und konnte ihre Neugier ausleben. Im Mai 1939 wurde sie in Berlin-Neukölln geboren und lebte gemeinsam mit ihrer Familie in ärmlichen Verhältnissen. Viel zu früh starb ihre Mutter, und fortan lebte sie bei den Verwandten ihres Vaters. Schon damals zeigten sich der Ehrgeiz und das Talent der künftigen Schauspielerin.
Während ihrer Ausbildung zur Sekretärin im Verlagshaus "Diez" nahm sie Schauspiel- und Musikunterricht und kam deswegen oft zu spät zur Arbeit. Ihr erstes Vorsprechen bei der Schauspielschule versprach ihr jedoch keine Karriere im Showbiz, denn dort war sie mit Pauken und Trompeten durchgefallen. "Die müssen sich irren", dachte sie sich und fühlte sich in ihrem Drang zur Bühne noch mehr bestärkt. Erst als Schülerin bei Eduard von Winterstein gelang ihr der Durchbruch, und sie bekam die Rolle als "Bastellinchen". "Das war wahrlich keine Dramatik, und ich wollte doch dramatische Rollen spielen. Also nahm ich mir vor, aus der Rolle eine große Figur zu machen", erzählte Helga Piur bei ihrer Lesung in Roßlau.
Immer wieder wechselte sie dort ihre Brille und mischte sich unter die Zuhörer, um merkwürdige und lustige Begegnungen ihres Lebens zu erzählen. So brachte sie den Saal zum Lachen, als sie vom Dreh ihrer ersten Nacktszene berichtete. Schamgefühle hatte sie und wusste nicht, wie sie diesen Dreh überstehen sollte, doch als sie zum Drehort kam, waren alle Ängste verflogen, denn das gesamte Team war ebenfalls nackt.
Die politische Wende Deutschlands bescherte auch ihr erst einmal einen Besuch beim Arbeitsamt. Fortan lernte sie die Höhen und Tiefen des freien Marktes kennen, von Fernsehsendern wurde Piur abgelehnt, weil diese keine Ostschauspielerin in einer Hauptrolle haben wollten. Piur aber konnte sich durchsetzen und ist heute beliebt und bekannt wie eh und je. "Man muss von diesem Beruf besessen sein, sonst würde man das nicht überstehen", so beschreibt Helga Piur ihr bewegtes Schauspielerleben.