Ortsumfahrung als letzte Lösung? Bürgerinitiative in Roßlau kämpft gegen Lärm und Gefahren durch die Bundesstraße vorm Fenster
Das Leben mit Bundesstraße direkt vorm Fenster strengt Anwohner in der Roßlauer Luchstraße seit langem an. OB-Kandidat Jakob Uwe Weber hört vor Ort zu.

Roßlau - Die schweren Motoren trommeln laut durch die Häuserschlucht, Traktoren rumpeln alles andere als gemächlich, große Laster auf vier und mehr Achsen donnern heran - ein paar Fußgänger rücken unwillkürlich näher an die Häuserwand.
„Jetzt wird’s voll“, wird die Sprecherin der Bürgerinitiative (BI) Luchstraße /Zerbster Brücke zur Ruferin. Passend zum einsetzenden Feierabendverkehr treffen sich BI-Mitglieder am Brennpunkt vor der Haustür mit Jakob Uwe Weber, der zur Oberbürgermeisterwahl als parteiloser Kandidat antritt.
Das Treffen ist pandemiekonform organisiert: Mit Abstand, Mundschutz unter freiem Himmel und in limitierter Teilnehmerzahl getaktet im Halbstundenrhythmus: „Hier, die Risse im Putz reichen von unten bis oben“, zeigen Renate und Horst Schwanz die Folgen vom Leben auf Tuchfühlung zur Bundesstraße.
Die immer überlastete Straße war mindestens einmal pro Jahr kaputt oder von Kanalbrüchen heimgesucht
Die Eheleute Schwanz, 79 und 80 Jahre alt, haben jahrzehntelang eine Bäckerei zu legendärem Ruhm beführt, in der Schifferstadt und darüber hinaus. Genauso ewig kennt die Familie den Schlamassel mit der Luchstraße in Sichtweite zur Zerbster Brücke über die Bahnschienen.
Die immer überlastete Straße war mindestens einmal pro Jahr kaputt oder von Kanalbrüchen heimgesucht; Stau der Normalzustand. „Nicht nur die Gläser im Schrank haben getanzt, wenn die Laster vorbeifuhren“, erinnert sich Horst Schwanz. „Die Heizkörper an der Außenwand haben so laut geklappert, dass ich die mit Schaumstoff abpolstern musste.“

Das Sorgenkind ist inzwischen uralt: Die Luchstraße ist als innerörtliche Bundesstraße 184 zwischen Dessau-Roßlau und Zerbst/Magdeburg täglich tausendfach befahren und zwischen Elbebrücke und Zerbster Brücke ein schmaler „Schlauch“. Am „Flaschenhals“ der Hauptverkehrsstraße liegen beidseitig Wohn- und Geschäftshäuser an.
Inzwischen haben die Stadtwerke die Versorgungs- und Entsorgungsleitungen unter der Luchstraße weitgehend saniert
Ein Vergleich der Stadtteile Dessau-Roßlaus nördlich und südlich der Elbe setzt Erinnerung voraus: An die Zeit, da die B184 auf schnurgerader Nord-Süd-Achse durch Dessau führte, bevor der Bundesstraßenverkehr über das Tangentensystem um die Stadt abgeleitet wurde. Die Albrechtstraße und Heidestraße aber waren auch vorher breiter.
Inzwischen haben die Stadtwerke die Versorgungs- und Entsorgungsleitungen unter der Luchstraße weitgehend saniert, die Straßendecke ist asphaltiert worden. Und seit diesem Jahr gilt für die B184 innerorts auf der Luchstraße und Magdeburger Straße - vor und hinter der Zerbster Brücke - aus Lärmschutzgründen ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde.
„Das ist für Anwohner, Geschäfte und Besucher einfach nur noch eine Zumutung.“
„Bloß, dass sich nur die wenigsten daran halten“, schüttelt BI-Sprecherin Dorothee De Rosa den Kopf. Die freiberufliche Hebamme und auch Doreen Dommert als Kursleiterin in der Krabbelgruppe sehen und erleben die Widrigkeiten alltäglich. „Das ist für Anwohner, Geschäfte und Besucher einfach nur noch eine Zumutung.“ Radfahrer haben auf der engen Straße ohne Radweg keine Chance und können meist nur über den Fußweg schieben.
Auch über die fällige Sanierung der maroden Zerbster Brücke wird seit Jahren gesprochen mit immer wieder neuen Ankündigungen. „Bricht diese Brücke weg, wäre das die blanke Katastrophe“, hat Regierungschef Reiner Haseloff, der dieses Nadelöhr täglich überquert auf seinem Arbeitsweg von Wittenberg nach Magdeburg, bei einem Vor-Ort-Besuch gesagt.
Aber Jahr um Jahr vergeht, ohne dass faktisch etwas passiert. „Das erleben wir sowieso nicht mehr“, sagt Bernd Godulla resigniert. Zufällig vorbeigekommen und gegenüber in der Luchstraße?11 zuhause, wartet der 62-Jährige auf eine Lücke für den Straßenwechsel. Die Lücke muss groß sein, Bernd Godulla kann nur langsam an zwei Stöcken gehen.
Knackpunkt bleibt eine mögliche Ortsumfahrung
Potenziert wird das Problem Luchstraße/Zerbster Brücke noch durch das ewige Warten auf das Bundesverkehrsprojekt Teilortsumfahrung B184 Tornau/Roßlau. Auch hier wird die Geduld der Roßlauer Bürger seit Jahrzehnten und mehreren Wahlperioden auf die Folter gespannt.
„Die Ortsumfahrung aber ist der Knackpunkt und die Lösung“, ist der alte Bäcker Schwanz überzeugt. Dann wäre der Verkehr in großer Menge und Masse abgeleitet und die Luchstraße wäre erstmals eine normale Ortsstraße. Im Bundesverkehrswegeplan das Projekt immerhin den Vermerk „vordringlicher Bedarf“. Aber das war schon vor Corona.
Hier müsse das Oberzentrum Dessau-Roßlau seine Planungshoheit unbedingt energischer ins Spiel bringen, sagt OB-Kandidat Jakob Uwe Weber. „Es ist nicht so, dass die Stadt gar nichts machen kann, wie es immer heißt.“ Als Erleichterung für die Anwohner hat Weber einen Sofort-Vorschlag: Das Tempo 30 könne mit beidseitigen stationären Blitzern wirkungsvoll durchgesetzt werden. „Das wäre schnell machbar.“ (mz/Silvia Bürkmann)