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Boykott als Provokation? Boykott als Provokation?: AfD-Stadtrat positiv getestet - "Mir geht es richtig dreckig"

Von Daniel Salpius 18.12.2020, 10:42
Rund 80 Teilnehmer der Stadtratssitzung nutzten die Chance eines Schnelltests.
Rund 80 Teilnehmer der Stadtratssitzung nutzten die Chance eines Schnelltests. Daniel Salpius

Dessau-Rosslau - Immer wenn Andreas Mosch mit seinem Zettel vor dem Eingang der Elbe-Rossel-Halle erschien, verstummte die davor wartende Menge.

Mosch, in der Verwaltung eigentlich für Ortschaftsangelegenheiten zuständig, überbrachte vor der Stadtratssitzung am Mittwoch die Ergebnisse aus der eiligst eingerichteten Corona-Teststation. Dabei verstand er es, die Spannung hoch zu halten. „Nummer 2-11“ - gekonnte Kunstpause, strenger Blick in die Runde - „negativ“. Die Person durfte also eintreten.

Besonders lange musste ein Mitglied der AfD auf das Resultat seines Schnelltests warten, durfte sich schließlich aber ebenfalls über ein negatives Ergebnis freuen. Seine Fraktionskollegen, die mehrheitlich nicht an der Test-Aktion teilnahmen, waren da längst in der Halle. Fahrlässig und ignorant fanden das einige Ratskollegen. „Die AfD ausgerechnet“, spielte einer auf deren Umgang mit Corona an. Die Landes-Partei plant mitten im Lockdown für das Wochenende einen Parteitag in Magdeburg mit 600 Teilnehmern.

Büttner am Telefon: „Mir geht es richtig dreckig“

Zur Wahrheit gehört, dass sich auch Mitglieder anderer Fraktionen nicht testen ließen. Schließlich stand das jedem Teilnehmer frei. Im Falle der AfD hatte nun aber im Vorfeld bereits die Runde gemacht, dass bei Fraktionsmitglied Lutz Büttner das Corona-Virus nachgewiesen worden war. In der Folge standen die AfD-Männer in Sachen Testfreudigkeit nun unter der besonderen Beobachtung ihrer Ratskollegen. Ihren teilweisen „Boykott“ verstanden daher manche als „Provokation“.

Lutz Büttner selbst konnte zu seiner Infektion und etwaigen kürzlichen Kontakten zu seinen Kollegen am Donnerstag aus seiner Quarantäne heraus nur folgendes beitragen: „Mir geht es richtig dreckig“, berichtete er am Telefon. Sein Fraktionsvorsitzender Andreas Mrosek, der selbst nicht an der Sitzung teilgenommen hatte, stellte klar, dass sich die Fraktion nach dem 7. Dezember nicht mehr enger getroffen habe. Die AfD-Räte, die am Stadtrat teilnahmen, seien folglich keine Erstkontakte gewesen.

Anders könnte es mit einigen Räten anderer Parteien aussehen. Denn Büttner nahm noch am Wochenende nach MZ-Informationen an einer Sitzung des Aufsichtsrates für den WBD Industriepark teil. Welche Stadträte dort anwesend waren und ob sie sich Mittwoch testen ließen, ist unklar.

Mrosek sieht ohne Symptome keinen Grund zum Testen

Zur Testbereitschaft der AfD-Kollegen meinte Mrosek, er selbst hätte sich auch nicht testen lassen, so er denn vor Ort gewesen wäre. „Ich habe keine Symptome, dann gibt es auch keinen Grund zum Testen.“ Zudem sei das jedem selbst überlassen, eine Parteilinie gebe es da nicht, so Mrosek.

Doch auch die wiederholten Verstöße gegen die Hygieneregeln in der Halle brachten den AfD-Leuten Kritik ein. So trugen einige etwa den Mund-Nasen-Schutz unter, anstatt über der Nase. Kurz vor Beginn der Sitzung versammelten sie sich eng um einen Tisch. Teils trugen sie dabei keine Masken oder hatten diese wie beschrieben falsch auf. Die Partei kassierte deshalb sogar einen Ordnungsruf des stellvertretenden Stadtratsvorsitzenden, Frank Hoffmann (Linke), der sie darauf aufmerksam machte, dass sie gegen das Hygienekonzept verstießen und dies korrigieren mögen.

Gebracht habe es nichts, sagte Hoffmann auf Nachfrage. Kurz darauf hätten wieder zwei AfD-Leute ohne Masken zusammengestanden. Daraufhin wirkte auch noch Stadtratspräsident Frank Rumpf (CDU) auf die Fraktion ein. Rumpf kommentierte das im Nachgang versöhnlich: In jeder Fraktion müsse er den einen oder anderen an die Regeln erinnern.

Große Testbereitschaft

Nachdem die Stadt noch am Montag erklärt hatte, Schnelltests für den Stadtrat seien nicht möglich, stellte sich die Aktion am Ende als Erfolg heraus. Mit rund 80 Abstrichen sei die Testbereitschaft sehr hoch gewesen, sagte Stadtsprecher Carsten Sauer am Donnerstag. Geschätzt nahmen etwa 100 Personen an der Sitzung teil, darunter 38 Stadträte. Die Testergebnisse waren alle negativ.

Der Entschluss für die Aktion war erst Mittwochmorgen im Pandemiestab gefallen. Das Klinikum stellte Testkits und Infrastruktur bereit. Unterstützung kam von der Berufsfeuerwehr und der Verwaltung. „Jedes Dezernat hat zwei Mitarbeiter abgestellt“, so Sauer. (mz)