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Bilder im Kunstraum 22 in Dessau Bilder im Kunstraum 22 in Dessau: Wenn Stubentiger menscheln

Von Danny Gitter 10.09.2015, 07:11
Katzen faszinieren den Zerbster Künstler.
Katzen faszinieren den Zerbster Künstler. Lutz Sebastian Lizenz

Dessau - Wenn er sich doch nur in eine Schublade packen ließe, und sei es nur eine akademische. Manfred Jendryschik, als Schriftsteller und ehemaliger Dessauer Kulturdezernent um die passenden Worte nicht verlegen, windet sich in seiner Laudatio auf der Vernissage in kunsthistorischen Diskursen, um den Zerbster Künstler Jürgen Spitzer einzuordnen. Hat er einen naiven oder gar schizoiden Malstil?

Jendryschik findet Beweise dafür und dagegen. Am Ende lässt er doch lieber die Spitzer-Bilder sprechen. Die treten derzeit in einen Dialog mit den Betrachtern im Kunstraum 22 des Anhaltischen Kunstvereins. „Von Katzen und anderen Leuten“, erzählen die Werke. Kaum ein Titel könnte passender sein, um ihn doch noch einzuordnen und greifen zu können.

Vom Volkspolizist zum Lehrer

So schwer Jendryschik die eindeutige Zuordnung des Zerbsters als Maler gelingt, so schwer ist dieser Spitzer für ihn auch als Mensch zu fassen. „Unsere erste Begegnung war damals noch im Zirkel schreibender Arbeiter unter der Leitung von Werner Steinberg“, erinnert sich Jendryschik.

Die neueste Ausstellung „Von Katzen und anderen Leuten“ des Anhaltischen Kunstvereins widmet sich dem Schriftsteller und Maler Jürgen Spitzer. Der Zerbster wurde 1942 im polnischen Arnswalde geboren und übersiedelte mit seiner Familie 1945 nach Jütrichau bei Dessau. Nach der 7. Klasse folgten berufliche Stationen in der Landwirtschaft, der NVA und bei der Volkspolizei. Dann holte er die Schulbildung bis zum Abitur nach und studierte Geschichte und Deutsch auf Lehramt. Ab 1972 arbeitete Spitzer in Zerbst als Lehrer. Seitdem erschienen auch literarische Erzählungen und Malereien von ihm. Die Ausstellung im Kunstraum 22, Askanische Straße 22, zeigt einen Querschnitt aus Jahrzehnten malerischen Schaffens. Sie ist bis zum 11. Oktober immer mittwochs bis sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt beträgt einen symbolischen Euro. (dgi)

Er der Intellektuelle, Spitzer der etwas unbedarft und linientreu wirkende Volkspolizist. Doch sollte dieser erste Eindruck ihn Lügen strafen. Aus dem Volkspolizisten wurde wenige Jahre später ein angesehener Lehrer für Deutsch und Geschichte am Zerbster Francisceum, zu guter Letzt als Schriftsteller auch noch ein Berufskollege. Dann entdeckte er das Malen.

Als Autodidakt führte sich der heute 73-Jährige in den 1970er Jahren in die visuelle Kunst ein. Er malte, was um ihn herum geschah. Hochzeitspaare beim Feiern, Menschen am Flussufer, Familienidyllen, nudistische Akte, kurzum den Alltag im Arbeiter- und Bauernstaat.

Schicksalhafte Fügung

Mal mit versteckter Ironie, dann wieder ganz unschuldig normal und immer den materialistischen Gegebenheiten angepasst. „Er zeigt uns wunderbar die Mangelwirtschaft der DDR“, fügt Jendryschik ironisch hinzu. Nicht im Inhalt der Werke, sondern in der Größe mancher Bilder wird das deutlich. Es sind manchmal nur handgroße Holzuntergründe, auf denen sich die Botschaften raumfüllender Gemälde abbilden. Ist das wirklich nur dem Mangel geschuldet oder sind das einfach geniale Kunstgriffe? Spitzer lächelt spitzbübisch. Er ist so schwer zu durchschauen.

Ist es da auch nur Zufall oder einfach eine schicksalhafte korrekte Fügung, wenn seiner Frau und ihm vor Jahren eine Katze zuläuft und sich bei ihnen einquartiert? Seitdem spielen Stubentiger eine zunehmend wichtige Rolle in seiner Kunst. Mal treffen sie sich zum Gruppenbild. Mal mischen sie sich unter menschliche Gruppen und dann lenken sie die ganze Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich, wo doch im Hintergrund ein Liebespaar im Bett gerade Zärtlichkeiten austauscht.

Der Titel seiner ersten großen Ausstellung „Von Katzen und anderen Leuten“, ist Programm. Mit einzelnen ausgestellten Bildern brillierte der Zerbster bisher an verschiedenen Orten in der Region. Das Sammelsurium aus Jahrzehnten ergibt ein großes Mosaik, das sich jeder selbst zusammenfügen muss.

Unergründliche Wesen

Es hat auch viel mit dem Wesen der Katze zu tun. „Katzen sind faszinierende und undurchsichtige Tiere mit sehr menschlichen Eigenschaften“, schwärmt der Maler. Jetzt der anhängliche Schmusetiger, im nächsten Moment die unnahbare Diva. Ein unergründliches Wesen, wie der Künstler selbst? Er lässt wie bei „Adam und Eva“ oder auch „Wir sind Deutschland“ den Betrachter schmunzeln, zweifeln und in der Deutung manchmal verzweifeln. „Durch das Malen schaffe ich neue Welten, die mich manchmal selbst überraschen“, sagt Spitzer. Besucher des Kunstraums 22 können darin eintauchen.