Bilder aus Wörlitz Bilder aus Wörlitz: Maler lassen blühende Landschaften in Dessauer Mariannenstraße entstehen

Dessau - Erik Mahnkopf hatte ein Bild von der Giebelwand gemacht und das Foto seiner Großmutter geschickt. „Das müsstest du kennen.“ Die Dame überlegte eine Weile, dann hatte sie die Antwort: Der Wörlitzer Park. „Da waren wir vor 15 Jahren einmal“, sagt Mahnkopf.
Sechs Wochen lang hatten Mahnkopf und zwei Mitarbeiter der Berliner Agentur Graco den Wörlitzer Park dicht vor Augen, vor allem die Eiserne Brücke über den Georgsgraben und die englische Seite des Gotischen Hauses. Pinselstrich für Pinselstrich brachten sie die beiden Motive auf die Giebelwand der Mariannenstraße 22 und 23.
Mahnkopf muss häufiger mit einem Irrtum aufräumen. „Wir sprayen nicht, wir malen. Ganz klassisch, nur mit modernen Farben.“ Aber so ist es nun mal: Ein Bild auf der Wand wird gleichgesetzt mit einem gesprühten Graffiti.
Die Kollegen mit den Sprühdosen bezeichnet Mahnkopf als „freie Radikale“
Die Kollegen mit den Sprühdosen bezeichnet Mahnkopf als „freie Radikale“. Und was die machten, funktioniere eben nicht an einem Wohnhaus. „Sie verwenden Lack. Darunter kann die Fassade nicht atmen.“ Trotzdem zeigt das Logo der Firma Graco - eine Spraydose.
Mahnkopf und ein Kumpel hatten die Firma Ende der 90er kurz nach dem Abitur gegründet. Schon während der Schulzeit hatte er hin und wieder Aufträge übernommen, Farbe an eine Mauer zu bringen. Jetzt ging es darum, daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Was wohl gelang: Bei Graco arbeiten inzwischen mehr als 30 Leute, entwickeln ganze Werbekampagnen für kleinere Unternehmen wie für Konzerne - und sechs von ihnen malen noch immer.
Graco-Fassaden finden sich in Guben wie in Berlin, in Hamburg wie in Stralsund. Mahnkopf liebt vor allem die illusionistische Malerei. Die Täuschungsmanöver sind vielfältig: Da erhalten Häuser Backsteinfassaden oder neuen Stuck. Fenster werden mit Kachel- oder Holzbändern verbunden, die Ecke eines Hauses etwas zurückgesetzt.
Die Präzision, mit der Mahnkopf und seine Kollegen die Fotos auf die Wand gebracht haben, überrascht
Der Effekt ist um so verblüffender, wenn er durchschaut ist, man freut sich, hinters Licht geführt worden zu sein. Neu ist diese Scheinarchitektur keineswegs: In der Wiener Jesuitenkirche simuliert ein Gemälde an der Decke eine Kuppel und wer das Oranienbaumer Schloss anschaut, wird entdecken, dass nicht alles, was den Anblick eines Fensters bietet, ein Fenster ist.
In der Mariannenstraße hingegen sind die Bilder Bilder. Man kann darüber streiten, ob es der Ästhetik letzter Schluss ist oder mehr Ausdruck einer Mode, Bilder zu zerschneiden und deren Teile etwas gegeneinander versetzt wieder zusammenzufügen - die Präzision, mit der Mahnkopf und seine Kollegen die Fotos von Karl-Ernst Wodzicki (einem Mitarbeiter des Wohnungsvereins) auf die Wand gebracht haben, überrascht.
Graco-Maler nuntzen eine seit Jahrhunderten erprobte Methode
Meist nutzten die Graco-Maler die seit Jahrhunderten erprobte Methode, die kleinformatige Vorlage um ein Vielfaches zu vergrößern. Mit Bleistift gezeichnete Raster, Zollstock, Schlagschnur, Wasserwaage. Selten greifen Sie auf Beamer zurück, um die Vorlage maßstabsgetreu an die Wand zu projizieren. In den sechs Wochen vor Ort, erzählt Mahnkopf, gab es immer wieder Kontakt mit Anwohnern.
Während der glühend heißen Tage wurden sie mit Getränken und Eis versorgt. Als die Maler am Mittwoch ihren Auftrag erledigt hatten, hängten sie noch zwei Stunden Arbeit dran, und verwandelten eine Garagenwand in einen blühenden Garten. (mz)
