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Betreutes Wohnen in Dessau Betreutes Wohnen in Dessau: Vom Leben abgeschnitten

Von heidi ThiemaNN 09.12.2014, 21:58
Der Fahrstuhl ist stehen geblieben. Jutta Doroszewski und Rolf-Dieter Heim sind auf ihrer Etage gefangen.
Der Fahrstuhl ist stehen geblieben. Jutta Doroszewski und Rolf-Dieter Heim sind auf ihrer Etage gefangen. Sebastian Lizenz

Dessau - „Ich bin verzweifelt“, sagt Helga Hoffmann. „Ich bin seit mehr als einer Woche eingesperrt und komme nicht raus.“ Der Grund, warum sich die 84-Jährige in ihrem 25 Quadratmeter großen Zuhause so fühlt, ist ein defekter Fahrstuhl im Haus „Julie von Cohn-Oppenheim“. Hier, in der Tornauer Straße, bietet die Volkssolidarität (VS) 92 betreutes Wohnen an. Hauseigentümer ist die DWG. Jutta Doroszewski aus der dritten Etage spricht von einem „betreuten Gefängnis“.

Im Haus Julie von Cohn-Oppenheim (Tornauer Straße) wie auch im Haus Anneliese (Törtener Straße) bietet die Volkssolidarität 92 Betreutes Wohnen in Partnerschaft mit der Dessauer Wohnungsbaugesellschaft (DWG) an. Das Betreute Wohnen ist eine Verbundlösung von Wohnen, Pflege und Betreuung. Für den Aufenthalt in der Gemeinschaft stehen jeweils ein Gemeinschaftsraum und eine Terrasse zur Verfügung.

Auch sie kommt nicht heraus an die frische Luft, zum Einkaufen, zum Spaziergehen, an den Briefkasten. Sie kann nur auf dem Etagenflur ein paar Schritte laufen. Ohne Rollator darf sie keinen Schritt gehen. Treppen sind für die 79-Jährige daher ein Hindernis, das nicht überwunden werden kann. Wie von der überwiegenden Mehrzahl der anderen Bewohner im Haus auch.

Zustände öffentlich gemacht

„Selbst der lange geplante und von den Mitarbeitern liebevoll vorbereitete Weihnachtsbasar musste abgesagt werden, weil die Bewohner ohne Fahrstuhl nicht in die Gemeinschaftsräume gelangen“, hat Ronald Tropartz im Bürgerreporter-Mitmachportal der MZ die Zustände öffentlich gemacht. „Vom zusätzlichen Aufwand für die Mitarbeiter der Volkssolidarität gar nicht zu reden“, so Tropartz.

Der Fahrstuhl, der der einzige im Haus ist, gehe immer mal kaputt, „aber dass eine Reparatur so lange dauert, haben wir noch nicht erlebt“, sagt Pflegedienstleiterin Schwester Manuela Damke. Die Mitarbeiter müssten treppauf und -ab, um die Bewohner zu versorgen, „das geht an die körperlichen Kräfte“. Auch im Notfall sei der fehlende Fahrstuhl eine Katastrophe. „Der Rettungsdienst muss die Leute dann mit Tragetüchern oder -stühlen die Stockwerke hinuntertragen.“

Doch auch das gesamte Leben der Bewohner ist eingeschränkt. Im Gemeinschaftsraum finden täglich Veranstaltungen statt, hier wird gemeinsam gegessen. All das musste ausfallen. Das Mittagessen wird einzeln zu den Bewohnern gebracht. „Die Leute bezahlen eine Pauschale für die Grundbetreuung“, so Schwester Manuela, „doch sie haben nichts davon.“

Am Montagabend, so Bewohnerin Doroszewski, „war helle Freude im Haus“. Der Fahrstuhl ging wieder. Dienstagmorgen war die Freude vorbei. Am Vormittag kam der Monteur erneut. „Wir gehen davon aus, dass der Fahrstuhl jetzt wieder dauerhaft läuft“, sagte Walter Matthias, Pressesprecher der DWG, am Nachmittag. Ein elektronisches Bauteil habe zweimal gewechselt werden müssen, weil die Software immer wieder Fehler angezeigt hatte. Diese Bauteile hätte die Firma nicht auf Lager gehabt. „Wir haben das ausgewertet“, so Matthias. Um den Bewohnern zu helfen, hat die DWG jetzt einen operativen Begleitdienst eingerichtet, der auf Bedarf in Gang gesetzt wird. (mz)

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Blick auf das Gebäude.
Blick auf das Gebäude.
Sebastian Lizenz