Beigeordnetenstellen in Dessau-Roßlau Beigeordnetenstellen in Dessau-Roßlau: Ruhe vor dem Sturm?

Dessau - Es ist die Ruhe, die manche grübeln lässt. Ist schon alles geklärt? Oder ist es die Ruhe vor dem Sturm? Drei Beigeordnetenstellen will die Stadt Dessau-Roßlau zum 1. Januar 2016 besetzen. Vor eineinhalb Wochen haben sich die beiden ausgewählten Bewerber für den Sozialdezernenten vorgestellt. Jobcenter-Chef Jens Krause und Diakonie-Geschäftsführerin Evelin Heinrich bekamen gute Kritiken. Wer Favorit ist? Schwer zu sagen. Die Linke hat Krause zu ihrem Kandidaten gemacht. Heinrich ist zwar CDU-Mitglied. Doch die Christdemokraten haben eigentlich Ansprüche auf den Wirtschaftsdezernenten erhoben und mit Sebastian Schmalenberg einen Kandidaten fest nominiert. Das macht es kompliziert.
Nur ein Kandidat im Stadtrat?
Vor ein paar Wochen war durchgesickert, dass CDU und Linke es sich vorstellen können, im Stadtrat nur noch einen Kandidaten pro Dezernentenstelle zur Wahl zu stellen. Die Idee hatte für Empörung gesorgt. Bei der politischen Konkurrenz. Aber auch bei der Wirtschaft, die das Auswahlverfahren von Beginn an sehr kritisch begleitet hat. Inzwischen scheint die Idee vom Tisch.
Die Stadt Dessau-Roßlau hatte bislang drei Beigeordnete. Gerd Raschpichlers Amtszeit als Sozialdezernent war zum 30. Juni ausgelaufen. Bis zum Jahresende amtiert Veronika Wendeborn. Joachim Hantusch, Dezernent für Wirtschaft und Stadtentwicklung, ist noch bis zum Jahresende im Amt. Ab dem 1. Januar 2016 soll Dessau-Roßlau dann vier Beigeordnete haben. Sabrina Nußbeck bleibt für Finanzen zuständig. Ihre Amtszeit läuft noch. Sie bekommt aber drei neue Kollegen - für die Bereiche Stadtentwicklung und Umwelt, Wirtschaft und Kultur sowie für Soziales.
Aus rechtlichen Gründen. Weil in der Kommunalverfassung und in der Hauptsatzung eben nicht geregelt ist, dass der Hauptausschuss die Vorauswahl auf nur einen Kandidaten begrenzen darf, gehen die Juristen davon aus, dass dies nur im Einvernehmen möglich ist. Doch das ist nicht in Sicht. Vor allem die SPD hat abgewinkt. „Es muss im Stadtrat mindestens zwei Bewerber geben“, erneuert SPD-Fraktionschef Ingolf Eichelberg am Montag diese Forderung. „Es muss eine Auswahl geben.“ Noch einen Schritt weiter geht Ex-Oberbürgermeister Hans-Georg Otto. „Wenn nur einer zur Wahl steht, verlasse ich nächste Woche die Sitzung und gehe juristisch dagegen vor.“
Der Stadtrat entscheidet am 28. Oktober über die drei Stellen. Die Beigeordneten werden vom Stadtrat für sieben Jahre gewählt. Bei der Aufstellung der Tagesordnung dürfte schon die Reihenfolge der Wahlen für taktische Diskussionen sorgen. Bislang ist zuerst die Wahl des Wirtschaftsdezernenten geplant. Die CDU, vor sieben Jahren böse ausgetrickst, will dieses Mal auf Nummer sicher gehen.
Am Dienstag und Mittwoch sitzt der Hauptausschuss erneut zusammen. Mit zwei Überraschungen. Zwar hatten sich die Stadträte vor Wochen darauf verständigt, insgesamt nur sieben Kandidaten für die drei Posten einzuladen. In den vergangenen Tagen wurden aber noch einmal zwei Briefe versandt. Für den Bereich Stadtentwicklung soll sich heute neben Holger Schmidt, Stadtplaner und viele Jahre Chef der Dessau-Roßlauer Fraktion Bürgerliste, und Christiane Schlonsky, in der Hansestadt Hamburg für Grundsatzfragen der integrierten Stadtentwicklung verantwortlich, nun doch Gert Möbius vorstellen. Dessen Bewerbung war schon aussortiert worden. Nun soll der Dessauer aber wieder eine Chance bekommen. „Sonst hätten wir im Stadtrat den Antrag gestellt“, deutete Otto an. Möbius ist Chef eines Baugrundbüros - und viele Jahre schon Pressesprecher der Fraktion von Pro Dessau-Roßlau.
Für den Bereich Wirtschaft und Kultur waren mit Sebastian Schmalenberg, Bärbel Schärff und Robert Reck drei Kandidaten für die Vorstellungsrunde am morgigen Mittwoch eingeplant. Kurzfristig wurde Bernhard Böddeker, Vize-Landrat aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld, eingeladen. Der war einst zur Bewerbung ermuntert worden, hat nun aber aus Sorge abgesagt, nur noch ein Alibi-Kandidat zu sein. Böddeker hat damit ein pikantes Dreier-Duell verhindert: Nach Schmalenberg und Schärff wäre er der dritte CDU-Mann gewesen.
Die Favoriten sind schwer auszumachen. Weil alle Entscheidungen zusammenhängen. Viele Planspiele sind möglich. Sind sich CDU, Linke und Pro Dessau-Roßlau einig, könnte sich das Trio Schmalenberg, Krause und Möbius durchsetzen. Verständigen sich CDU und Linke mit der drittgrößten Fraktion im Rat, dem Liberalen Bürgerforum/Grüne, könnte es für Schmalenberg, Krause und Schmidt reichen.
Wenn die Fraktionen auch tatsächlich hinter ihren Kandidaten stehen. In der CDU fällt es einigen schwer, beim Sozialdezernenten nicht für die CDU-Frau Heinrich zu stimmen. Bei der Linken hadern einige mit dem Wirtschaftsdezernenten-Kandidaten Schmalenberg. Dazu kommt: In Sachen Stadtentwicklung und Umwelt hat Holger Schmidt bei seiner Vorstellung in der CDU-Fraktion punkten können. Die hatte ihn wegen seiner Bedenken gegen die Ostrandstraße sehr kritisch gesehen.
„Es gibt sehr interessante Kandidaten“, sagt SPD-Fraktionschef Eichelberg, ohne seine Tendenz zu verraten. Auffällig ist aber eines. Eichelberg lobt Schlonsky. Die Hamburgerin hat in den Fraktionen bislang überzeugt. Auch die ehemalige IHK-Geschäftsführerin Bärbel Schärff hat in der SPD-Fraktion einen guten Eindruck hinterlassen. Überraschend ist, dass Robert Reck, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Seehausen in der Altmark und für die SPD im Kreistag der Altmark sitzend, noch gar nicht in der SPD-Fraktion war. Eichelberg will das nicht überbewerten. Und wen favorisiert Pro Dessau-Roßlau? Otto pokert. „Lassen Sie sich überraschen.“
Ermahnungen untereinander
Interessant ist weiterhin: Jede Fraktion mahnt die andere, die Fachkompetenz entscheiden zu lassen. „Wir müssen allein das Wohl der Stadt im Blick haben“, sagt Otto. „Wir haben uns als Stadträte verpflichtet, Schaden von der Stadt abzuwenden und sollten uns genau anschauen, wer unsere Wahlbeamten für die nächsten Jahre werden sollen“, fordert auch Klaus Meier von der Bürgerliste/Grüne. Doch was das heißt, interpretiert derzeit jeder anders.
Auffallend ist: Dessau-Roßlaus Wirtschaft hält sich seit einem Gespräch mit den Fraktionschefs des Stadtrats Ende September spürbar zurück. „Die Wirtschaftsverbände mit ihren Mitgliedsunternehmen haben dort ihre Standpunkte übermitteln können, die Themen wurden sehr sachorientiert und konstruktiv diskutiert, es herrschte ein angenehmes Gesprächsklima von gegenseitigem Respekt“, heißt es in einer förmlichen Pressemitteilung. „Die Zusammenarbeit soll zukünftig intensiviert werden und durch regelmäßige Abstimmungsrunden zwischen Wirtschaft, Politik und Verwaltung verbessert werden. Nur so kann es gelingen gemeinsame Strategien zu entwickeln und die Stadt positiv weiterzuentwickeln.“ Was das in Bezug auf die Dezernentenwahl heißt, ließen die Wirtschaftsverbände offen. (mz)