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Diskussion um Geldwäsche Bei 10.000 Euro ist Schluss: Was ändert sich, wenn Deutschland Obergrenze für Barzahlungen einführt?

Die EU will eine Grenze für Barzahlungen durchsetzen - Warum das nicht bei jedem gut ankommt und Geldwäsche damit trotzdem nicht verhindert wird.

Von Thomas Steinberg 28.08.2021, 14:00
Bargeldeinzahlungen werden künftig genau geprüft.
Bargeldeinzahlungen werden künftig genau geprüft. (Foto: picture alliance / dpa)

Dessau-Roßlau/MZ - 29 Jahre war er Autohändler: Klaus Bebber. Den „Autopark Roßlau“ hat er verkauft, doch wer so lange im Geschäft war wie er, kennt seine Kundschaft aus dem ländlichen Raum, wie er es formuliert. Die bewahre nicht selten das Geld unterm Kopfkissen auf. Und trage durchaus schon mal ein Bündel Scheine bei sich, um damit ein Auto zu bezahlen.

Mit Barzahlungen von 10.000 Euro und mehr dürfte demnächst Schluss sein. „Die Obergrenze wird kommen, da die allermeisten EU-Länder diese bereits haben, aber sicher nicht vor der Wahl“, prophezeit Kai Bussmann im Gespräch mit der MZ. Der Jurist hat eine Professur an der Uni Halle inne und forscht vor allem zu Wirtschaftskriminalität. Bussmann hätte die Grenze gern noch niedriger gezogen gewusst - bei 5.000 Euro oder gar nur 2.000. Bebber hingegen hält schon das 10.000-Euro-Limit für eine Zumutung und dürfte damit nicht allein sein.

In den meisten Euro-Ländern existiert eine Grenze für Barzahlungen schon

Dass zuletzt die Diskussion um Grenzen für Barzahlungen wieder hochkochte, liegt an einem Vorstoß der EU-Kommission, eine solche verbindlich von den Mitgliedsstaaten einführen zu lassen. In den meisten Euro-Ländern existiert sie schon - in Griechenland etwa kann man legal maximal bis 500 Euro Cash bezahlen. In Deutschland aber hat sich die Politik bislang geziert, einen Höchstwert festzusetzen.

Bussmann ahnt warum: Man wolle sich nicht dem Vorwurf aussetzen, das Bargeld abzuschaffen. Aber keiner „der Verantwortlichen in Brüssel oder in den EU-Mitgliedstaaten will das. Sie können weiterhin 100.000 Euro unter der Matratze oder in der Schublade verstecken.“ Für klug hält er das nicht. Je mehr Bargeld wir daheim horten oder mit uns durch die Gegend tragen, desto höher das Risiko von Einbrüchen, sagt der Kriminalitätsforscher.

Schon jetzt gilt für viele Geschäfte die 10.000-Euro-Marke

Was bei der Diskussion um die Bargeldobergrenze gelegentlich vergessen wird: Schon jetzt gilt für viele Geschäfte die 10.000-Euro-Marke. „Das ist“, sagt Vorstand Ralf Butzke von der Volksbank Dessau-Anhalt „keine neue Geschichte.“ Das Geldwäschegesetz schreibt den Banken und Sparkassen vor, bei Bareinzahlungen über 10.000 Euro genau hinzusehen, ob die Herkunft des Geldes nachvollziehbar ist und im Zweifelsfall einen plausiblen Herkunftsnachweis zu verlangen. Bei Geschäftskunden, die regelmäßig bündelweise Geld vorbeibringen, wird die saubere Herkunft angenommen. Butzke schätzt, dass ein Drittel der Einzahlungen bei der Volksbank 10.000 Euro überschreiten, die Sparkasse geht von einer einstelligen Zahl pro Woche aus.

Doch damit dürfte in absehbarer Zeit Schluss sein. Auch Gastwirte und Autohändler werden sich umstellen müssen. Die Sparkasse lässt über ihre Pressesprecherin Katrin Abe mitteilen, dass sie ihre Kunden etwa über Aufsteller oder Kontoauszüge auf die Änderungen hinweise. Die IHK Halle-Dessau überlegt hingegen noch, wie sie ihre Mitglieder informieren soll.

Deutschland, ein Paradies für die Geldwäsche der italienischen Mafia?

Zusätzlich läuft im Hintergrund bei den Sparkassen und Banken eine elektronische Prüfung: Gibt es verdächtige Kontenbewegungen, die auf Geldwäsche hindeuten, also auf den Versuch, illegal erworbenes Bargeld in den Wirtschaftskreislauf einzuschleusen? Werden solche Muster erkannt, sind Meldungen an die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen fällig, einer Zolleinheit, die im Bedarfsfall die Ermittlungsbehörden einschaltet.

Allerdings gilt diese als eher zahnloser Tiger und desorganisiert, die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat gar Ermittlungen wegen Strafvereitlung im Amt angestrengt. Es sind solche Umstände, die Deutschland aus Sicht etwa italienischer Mafia-Ermittler zum Geldwäscheparadies machen, egal ob das Geld aus Drogengeschäften, Menschenhandel oder Steuerhinterziehung stammt.

Die Bargeldobergrenze wird Geldwäsche nicht verhindern, aber zumindest erschweren

Bussmann sieht zudem weitere Probleme: Während die Banken ihren Meldepflichten nachkommen, gilt das nicht für andere Branchen und Berufe, die eigentlich dazu verpflichtet sind. Da werden Immobilien in bar bezahlt oder es wandert dubioses Geld auf Notaranderkonten. Und selbst wenn solche Fälle bekannt werden, scheitern Polizei und Justiz viel zu oft. Der Grund: In Deutschland muss, bevor mit illegalen Geld erworbene Immobilien, Schmuckgegenstände oder Yachten konfisziert werden können, eine strafbare Vortat festgestellt werden, was sich oft als schwierig erweist. In Italien ist jede Luxuskarosse weg, wenn deren Finanzierung nicht erklärt werden kann.

Bussmann gibt sich keinen Illusionen hin: Die Bargeldobergrenze wird Geldwäsche nicht verhindern, aber zumindest erschweren. Und er sieht den „Normalbürger“ nicht betroffen: Wann hebe der denn schon mal größere Summen ab? Und er sieht die Freiheit im Umgang mit Bargeld auch nicht durch die bevorstehenden Neuregelungen gefährdet.

In den letzten Jahren zahlen die Deutschen ohnehin immer mehr unbar

Dazu kommt: In den letzten Jahren zahlen die Deutschen ohnehin immer mehr unbar. Sei es im Onlinehandel oder bei täglichen Einkäufen, wo inzwischen, durch Corona beschleunigt, immer häufiger an der Kasse Karte oder Smartphone gezückt werden. Eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung bestätigt diesen Trend ebenso wie die Erfahrungen der hiesigen Volksbank und der Sparkasse.

Bei Kriminellen dagegen erfreut sich Bargeld nach wie vor ungebrochener Beliebtheit: Von den 750 Milliarden im Umlauf befindlichen Euro in Scheinen und Münzen befinden sich nur 100 Milliarden bei „Normalbürgern“. Den großen Rest, so sagt es Bussmann, bunkern Steuerhinterzieher, Drogenhändler, Terrorfinanziers.