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Baustelle in der Kurt-Weill-Straße und am Lidice-Platz Baustelle in der Kurt-Weill-Straße und am Lidice-Platz: Dessauer Kundschaft ist ausgesperrt

Von Silvia Bürkmann 17.09.2015, 19:40
Fußgänger schlängeln sich durch das Absperr-Labyrinth, um zur Kurt-Weill.-Straße zu gelangen.
Fußgänger schlängeln sich durch das Absperr-Labyrinth, um zur Kurt-Weill.-Straße zu gelangen. Sebastian Lizenz

Dessau - Nomen est omen? Dass sein Geschäft flöten gehen könnte, da wollte Uhrmachermeister Michael Flöter am Donnerstag kaum widersprechen:. „Die Baustelle in der Kurt-Weill-Straße und am Lidice-Platz schluckt seit Montag alle Laufkundschaft“, stöhnt der alteingesessene Geschäftsmann und kommt beim Läuten der Tür von Haunummer 34 sofort persönlich an den Ladentisch geflitzt.

Bis Ende Oktober sollen die Bauarbeiten in der Kurt-Weill-Straße in Dessau-Nord dauern. Die Stadt nennt „akute Straßenschäden“ als Ursache für die plötzliche Baustelle. Diese nutzt auch gleich die Gasversorgung Dessau und verlegt vom Albrechtsplatz bis zur Einmündung Kurt-Weill-Straße und Humboldtstraße eine neue Niederdruckgasleitung. Am Lidiceplatz wird zudem eine alte Gasleitung aus Stahl durch eine moderne Kunststoffleitung ersetzt. Eine Umleitung ist nicht ausgeschildert.

Déjà-vu für Geschäftsmann

Weil der Parkplatz im Hinterhof gesperrt ist, fallen auch die Reparatur-Anlieferungen für mechanische Großuhren und Regulatoren ins Wasser, „die können ja kaum per Hand durch das Absperr-Labyrinth geschleppt werden“, schüttelt Flöter den Kopf.

Der 66-Jährige erlebt seit Montag ein Déjà-vu. In der Heidestraße 26 musste der Geschäftsmann 1995/96 ein Jahr mit Vollsperrung vor der Ladentür leben. Sperrbalken, Bagger-Gedröhn und Kunden-Flaute inklusive. „Jetzt also das Ganze zum zweiten Mal.“

Seit 2000 hat „Uhren-Flöter“ nun seine Geschäftsadresse in Nord und schreibt dort eine Firmengeschichte als Uhrmachermeister fort, die 68 Jahren umfasst. 1947 hatte Vater Gerhard Flöter in der Gutenbergstraße (heute Standort Ärztehaus) die erste Werkstatt geöffnet, die dort bis 1951 die Zeitmesser reparierte. Ein kurzer Abstecher führte bis 1953 schon einmal in die Heidestraße, Nummer 18, Ecke Mauerstraße.

Die längste Zeit hatte Uhren-Flöter dann seine Adresse über Jahrzehnte bis zur Wende in der Juliot-Curie-Straße (heute Albrechtstraße). „Dort standen die Leute an Reparatur-Annahmetagen Schlange bis zur Straße. Als ob es Bananen gab“, erinnert sich Flöter. Im größten privaten Reparaturbetrieb des damaligen Bezirkes Halle werkelten zehn Feinmechanik-Spezialisten an den aus der ganzen Region angelieferten Reparaturen.

Kein 70. Jubiläum mehr

„Lang ist’s her“, seufzt Michael Flöter, der 1981 die Geschäfte von Vater Gerhard übernahm. 1990 war der Familienbetrieb wieder komplett, als Bruder Winfried ins Geschäft einstieg und dann die Jahre in der Heidestraße vor dem Leipziger Tor mit bestritt. Und bis heute dem Geschäftspartner und Bruder Michael stundenweise zur Seite springt wie auch der beeinträchtigte Mitarbeiter Rudolf Mladek. Der Kollege mit tschechischen Wurzeln hält der Firma schon seit vielen Jahren die Stange.

Das 70. Jubiläum 2017 aber wird das Geschäft Uhren-Flöter nicht mehr feiern. „Am 31.Dezember 2016 ist endgültig Schluss“, sagt Michael Flöter rigoros. Unabhängig von der Baustelle vor der Tür. Wenn der jüngere Bruder Winfried 63 und Rentner wird, endet die Geschichte eines der ältesten Familienbetriebe in Dessau. „Das ist traurig, aber nicht zu ändern“, erinnert Michael Flöter daran, dass es mit seinem Sohn Matthias zwar eine dritte Generation an Flöter-Uhrmachermeistern gibt. Aber nicht mehr in Dessau. Der Junior hat bereits 1990 die Lehre in Hamburg gemacht und lebt heute mit der Familie gut im hessischen Wetzlar. Er ist im Fach geblieben - als Werkstattleiter einer großen Juweliermarke.

Doch wie geht es weiter am Lidiceplatz? Die Baustelle macht das Areal bis Ende Oktober motorisiert überhaupt nicht und fußläufig nur beschwerlich erreichbar. Auch Lieferanten und Zusteller bemängeln die Einschränkungen. Die Geschäftsleute wurden darüber knapp mit einem Zettel an der Tür informiert.

Belegschaft halbiert

„Informiert?“ Susann Jackowski vom Tresen der Videothek Empire zieht zweifelnd die Schultern hoch. Seit am Montag Parkplatz und Straße abgeriegelt sind, verebbte der Publikums-Verkehr. „Es ist die blanke Katastrophe“, schimpft Andreas Schwarz von der Filiale laut. Jetzt mache man Aktionen, dass die Kunden, die sonst fast bis in den Laden fahren, doch mal wieder laufen könnten. Informiert habe die Gewerbetreibenden keiner, moniert er.

Minus macht auch der 3-Sterne-Döner-Imbiss von Latif Izat. Statt zweier Leute ist jetzt nur noch ein Einzelkämpfer da. „Der Chef hat gestern mächtig geschimpft“, so Maher Wawan.

Auch Bäckerei lebt mit Baustelle vor der Haustür

Mit Baustellen vor der Haustür leben musste auch die alteingesessenen Bäckerei und Konditorei Meiling, die in Dessau-Roßlau und in der Region insgesamt 19 Filialen betreibt. Nach der Kurt-Weill-Straße rollen als nächstes in Köthen die Bagger vor den Laden. „In der Weill-Straße in Nord hält uns die Laufkundschaft aus dem benachbarten Ärztehaus über Wasser. Wer dorthin kommt, schaut auch bei uns rein“, atmet Chefin Katja Meiling nach der ersten Woche auf.

Etwas entspannter beobachtet Petra Schameitat von der Ginkgo-Apotheke die Lage. Die Parksituation am Lidice-Platz sei von Anbeginn problematisch und die Kunden sowieso meist zu Fuß gekommen. „Einen großen Einbruch erwarten wir nicht, aber für unsere Anlieferer ist es vertrackt.“ (mz)

Die Chronik von „Uhren-Flöter“ wird nicht mehr viel dicker.
Die Chronik von „Uhren-Flöter“ wird nicht mehr viel dicker.
Sebastian Lizenz