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Bauhaus-Sommerschule  Bauhaus-Sommerschule : Studenten designen Flüchtlingsunterkünfte

Von Danny Gitter 28.06.2016, 14:35
Bora Stafa ist in Albanien zu Hause, die Heimat von Sandra Khoury ist Libanon.
Bora Stafa ist in Albanien zu Hause, die Heimat von Sandra Khoury ist Libanon. Sebastian

Dessau - Da wurden über Nacht Turnhallen zu Herbergen. Binnen weniger Stunden und Tage entstanden neue Siedlungen aus Zelten und Containern. Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass so viele Menschen in Deutschland Zuflucht suchten und damit hiesige Kommunen vor ihre größten Herausforderungen seit Jahrzehnten stellten. Ein Dach über dem Kopf und ein Bett zum Schlafen, das war das, was man leisten konnte, um erst einmal die größte Not zu lindern. Aus Tagen wurden Wochen und teilweise Monate in Provisorien, was nicht selten auch viel sozialen Sprengstoff in sich birgt. Das Bauhaus macht sich in einer Sommerschule derzeit Gedanken, wie man Konflikte in Asylunterkünften entschärfen kann.

Heimat in der Fremde

14 Architekturstudenten aus sechs Nationen, darunter USA, Russland, Serbien und Thailand, fragen sich seit Ende Mai und noch bis zum 8. Juli wie „Heimat in der Fremde“ funktionieren kann und wie Flüchtlingscamps humaner gestaltet werden können. Für Bora Stafa aus Albanien und Sandra Khoury aus dem Libanon ist diese Frage sehr gegenwärtig. In großer Zahl sitzen Menschen in Albanien auf gepackten Koffern, um sich in Nord-, West- und Mitteleuropa eine Existenz aufzubauen, die sie in ihrer Heimat kaum finden würden. „Wir sind ein Land im Umbruch, ein Land, das sich noch entwickeln muss“, sagt Bora Stafa. Die albanische Studentin selbst möchte sich nicht beschweren. „Ich bin sicherlich in einer privilegierten Lage“, konstatiert sie. An der einzigen Privatuniversität ihres Landes studiert die 23-Jährige Architektur, das Fach mit dem sie helfen möchte, ihr Land zu einem besseren hin zu entwickeln.

Demokratisches Wohnen

„Architektur formt die Gesellschaft“, weiß die angehende Architektin. Es ist mehr als nur Stahl, Beton, Glas und Fassade. „Es ist auch ein Menschenbild, eine Psychologie, was damit ausgedrückt wird“, philosophiert Bora Stafa. Das Menschenbild beziehungsweise die Psychologie des Bauhauses gefällt der Albanerin besonders. Weg von den dunklen Hinterhöfen und überfüllten Mietskasernen hin zur komfortablen Wohnsiedlung, die sich auch Arbeiter und einfache Angestellte leisten konnten. Das Bauhaus hat Architektur und Wohnen demokratischer und damit massenkompatibler gemacht.

Da passt es gut, dass in der jährlichen internationalen Sommerschule, die seit 2004 am Bauhaus und auf dem benachbarten Architekturcampus stattfindet, in diesem Jahr der Fokus auf „Heimat in der Fremde“ liegt. Oft sind Flüchtlingsunterkünfte solch eine erste Heimat in einem fremden Land. Doch viele vermissen hier, was in ihrem früheren Leben alltäglich war. „Es braucht mehr als nur ein Bett“, sagt Bora Stafa. Es muss Raum für Privatsphäre und gleichzeitig für soziales Miteinander geben. Das architektonisch in Einklang zu bringen, daran arbeitet Bora Stafa mit den anderen Teilnehmern der Sommerschule am Bauhaus.

Präsentation in Venedig

Besonders motiviert bei der Sache ist auch Sandra Khoury. Ihren Bachelor-Abschluss in Architektur der amerikanischen Universität im Libanon hat die 25-Jährige in der Tasche. Jetzt schaut sie sich nach einem passenden Masterstudium auch in Deutschland um. Die Libanesin hat sowohl in ihrer Heimat, die vielen Kriegsflüchtlingen Zuflucht bietet, als auch in Deutschland ein Flüchtlingscamp besucht. „Es liegen Welten dazwischen“, zieht sie ein Fazit. Das Elend und die Verzweiflung in den Zeltstädten im Libanon hat sie nachhaltig beeindruckt. Viel besser ist es da in Berlin. Auch wenn bei weitem nicht alles perfekt ist. „Hier gibt es zum Teil große Spannungen“, resümiert die libanesische Architektin. Mangelnde Privatsphäre und ethnische Konflikte sind auch hier alltäglich. Das motiviert Sandra Khoury zusätzlich, in der Bauhaus-Sommerschule an Lösungen zu arbeiten. Die Entwürfe werden dann auf der renommierten Architektur-Biennale in Venedig präsentiert, die noch bis zum November dauert. Mit etwas Glück wird manche Arbeit vielleicht nicht nur ein Entwurf bleiben.

Ein Gewinn ist die Sommerschule für Bora Stafa und Sandra Khoury aber auf jeden Fall schon jetzt. „Es ist faszinierend wie alt und gleichzeitig modern das Bauhausgebäude ist“, schwärmt Sandra Khoury. Wenn sie hier ihren Architektur-Master machen könnte, würde sich für sie ein großer Traum erfüllen. (mz)