Karstadt-Ausverkauf Ausverkauf bei Karstadt in Dessau: Betriebsrat verliert Hoffnung und rechnet mit Schließung- "Wir gehen vom Schlechtesten aus"

Dessau - Die Rabattschlacht bei Karstadt ist in vollem Gange. „Essen verdient sich eine goldene Nase“, sagt Holger Korn.
Korn ist Betriebsratschef in der Dessauer Filiale und schaut fast ungläubig auf die Kundenströme im Haus. Aus Sachsen-Anhalt, aber auch Brandenburg und Sachsen kommen Leute, um beim Ausverkauf Schnäppchen zu machen. „Man könnte glauben, dass es Corona nicht gibt“, stellt er fest. Doch die Werbung „Alles muss raus“, „Diese Filiale schließt“ zieht seit Ende Oktober magisch an.
Karstadt in Dessau stand schon im Jahr 2015 vor dem Aus
Es ist nicht das erste Mal, dass die Dessauer Filiale auf der Schließungsliste der Essener Unternehmenszentrale steht. 2015 war das schon einmal der Fall. Damals konnte das Aus abgewendet werden. Diesmal aber scheint es keine Hoffnung zu geben. Hatten Korn und seine Stellvertreterin Katrin Quidzinski vor sechs Wochen noch geglaubt, dass die Chance, die Filiale zu retten, bei 50:50 liegt, sind sie nun ernüchtert. „Wir gehen vom Schlechtesten aus“, meint Quidzinski, auch wenn es hinter den Kulissen noch Bewegung gibt. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Filiale in Lübeck doch bestehen bleibt.
Lübeck wurde zuletzt von der Schließungsliste gestrichen
Lübeck gehörte wie Dessau zu sechs Filialen, für die am 31. Januar 2021 Schluss sein soll. Im Oktober waren bundesweit bereits 35 der 171 Filialen des Konzerns Galeria-Karstadt-Kaufhof dicht gemacht worden. Noch im Juni sollten es 62 Filialen sein. Dass es am Ende weniger wurden, hatte Hoffnung in Dessau geweckt. Doch letztlich, sagt Korn, spielten bei den Überlegungen der Unternehmensleitung nur Punkte eine Rolle, „die nicht von uns zu ändern sind“.
Schon vor Monaten hatte der Betriebsrat um ein Gespräch mit der Konzernspitze gebeten. Das war nun erfolgt. Laut Aussage der Unternehmensleitung, sagt Quidzinski, würde es ab 2021 eine erhöhte Mietforderung von ECE an Galerie-Karstadt-Kaufhof geben.
Da in der Filiale eine hohe Investition anstehen würde, wäre dies wirtschaftlich nicht darstellbar. Über Summen, so Quidzinski, wurde nicht gesprochen. Außerdem wurde Dessau, einer der bevölkerungsmäßig ältesten Städte Deutschlands, von der Konzernspitze eine düstere Zukunftsprognose ausgestellt.
Betriebsrat der Dessauer Karstadt-Filiale spricht von einem "falschen Vermieter"
Korn hält die für viel zu pessimistisch. Und „leider“, stellt er fest, „haben wir den falschen Vermieter für die Immobilie“. Er glaubt, dass über den Mietpreis eine Lösung hätte gefunden werden können. Enttäuscht ist er aber auch, dass in der Konzernleitung offenbar keine Rolle gespielt habe, dass der Betriebsrat acht Mietinteressenten gewinnen konnte, die - vorausgesetzt, Karstadt bleibt - sich hier eine Zukunft vorgestellt hätten. Sowohl Büroflächen wären belegt worden als auch Verkaufsflächen durch einen Multimedia-Anbieter, Wein- und Spirituosen-Händler, Textilanbieter und ein Sanitätshaus. „Fast alle wären innerhalb der Stadt umgezogen. In einem Fall wäre es eine Neueröffnung gewesen“, so Korn.
Dazu wird es nicht kommen. Der Ausverkauf geht weiter, die Kunden strömen. „Die Mitarbeiter an der Kasse und auf der Fläche brauchen starke Nerven“, weiß der Betriebsratsvorsitzende. Bis auf eine Mitarbeiterin, die gegangen ist, seien die anderen rund 80 noch bei der Stange. „Hut ab vor den Kollegen“, sagt er. (mz)