Anhaltisches Theater Anhaltisches Theater: Liebe in mörderischen Zeiten
Dessau-Roßlau - Béla Bartóks (1881-1945) „Herzog Blaubarts Burg“ ist ein phantastisch, dunkel funkelndes Stück Oper. Aber für einen Abend ein bisschen kurz. Da liegt die Versuchung nahe, es mit einem anderen Werk zu kombinieren. In Dessau blieb der Ungar jetzt dennoch mit sich allein.
Dort wurde dem 1918 uraufgeführten Einakter „Der wunderbare Mandarin“ vorgeschaltet. Womit man schon mal zwei Drittel von Bartoks für die Bühne komponierten Werken beisammen hat. Bei der Kölner „Mandarin“-Uraufführung schlugen 1926 die Wellen der moralischen Entrüstung so hoch, dass der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer alle folgenden Vorstellungen verbot.
So deutlich wollte man die Verkommenheit der Zeitläufte dann doch nicht vorgehalten bekommen. Da zwingen drei fiese Pariser Kleingangster eine junge Frau dazu, Freier anzulocken, um sie auszurauben. Bis ihnen ein seltsamer, offensichtlich reicher Chinese (Joe Managhan ist jener wunderbare Mandarin) in die Hände fällt, der sich obendrein in das Mädchen verliebt. In einem Crescendo des Grauens versuchen die drei, ihn auf verschiedene Arten umzubringen. Doch er stirbt erst seinen makabren Liebestod, als sich das Mädchen ihm zuwendet.
Der Dessauer Ballettchef Tomasz Kajdanski macht daraus ein Stück packenden Tanztheaters. Im Ambiente einer heruntergekommenen Turnhalle und in jeder emotionsgeladenen dramatischen Bewegung der Musik Bartoks abgelauscht. Moritz Nitsche (Bühne) und Judith Fischer (Kostüme) sorgen auch für die Ausstattung jener atemberaubenden Reise in die Finsternis von Blaubarts Seele, die der junge Franzose Benjamin Prins nach der Pause in Szene setzt. Mit einer der Leuchtkraft des musikalischen Pathos standhaltenden, dunklen Opulenz. Und mit Überraschungseffekten. Judith folgt Blaubart, liebt ihn offenbar wirklich und versucht deshalb, tiefer in die Geheimnisse seiner seiner Obsessionen und Erinnerungen einzudringen.
Prins gelingt es, das Geheimnisvolle ganz unterschiedlicher Wahrnehmungen ins Bild zu setzen. Von der Folterkammer hinter der ersten Tür sehen wir nur die blutrot leuchtenden Scheinwerfer. Die Weite und Schönheit von Blaubarts Land schließlich, hinter der fünften Tür, ist nur zu hören und im begeisterten Gesichtsausdruck Blaubarts zu sehen. In Wahrheit herrscht die Neonröhren-Kälte und Bühnen-Leere des Nichts. Und die letzte Tür, die Blaubart partout nicht öffnen will, und hinter der Judith ihre toten Vorgängerinnen vermutet, bringt die Begegnung mit drei geschmückten, früheren Frauen Blaubarts, die auf geheimnisvolle Weise mit ihr entschwinden.
Am Ende bleibt Blaubart allein und verlassen zurück. Einzig, dass hier Mitgefühl über das Grauen triumphieren darf, ist tröstlich. Das ist tief gedacht und großartig, ohne jeden Kitschverdacht bebildert. Daniel Carlberg, die Anhaltische Philharmonie und der Chor werden ebenso bejubelt wie die grandiose Judith von Rita Kapfhammer und Ulf Paulsens beeindruckender Blaubart. Aus Dessau ist ein (leider nur dürftig besuchter) eindrucksvoller Bartók-Abend zu vermelden, den man nicht versäumen sollte!
Nächste Vorstellungen am 21. Mai um 17 Uhr, 5. Juni um 16 Uhr (mz)