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300. Geburtstag von Anna Wilhelmine 300. Geburtstag von Anna Wilhelmine: Im Reich der Grande Dame

Von danny gitter 14.06.2015, 17:06
Schlossgärtner Ralph Wels erklärt seinen Gästen die Besonderheiten im Park der Schlossanlage.
Schlossgärtner Ralph Wels erklärt seinen Gästen die Besonderheiten im Park der Schlossanlage. Lutz Sebastian Lizenz

Dessau - Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Zumindest war das 1936 so. Wenn man zu dieser Zeit einen unverstellten Blick auf das Schloss Mosigkau haben wollte, musste man schon ganz nah ran gehen. Denn aus fernerer Beobachtung, war der einstige Sommersitz der Prinzessin Anna Wilhelmine verdeckt und schattiert von mächtigen Bäumen und Pflanzen. „Gerade einmal das zentrale Fenster des Schloss-Saals hat man von Höhe der Orangerie aus gesehen“, beschreibt Ralph Wels das, was er auf einer Fotografie von vor fast 80 Jahren entdeckte. Der Blick zurück in Form einer Schlossgartenführung war am Sonnabend Teil des umfangreichen Programms zu Ehren der einstigen Hausherrin Prinzessin Anna Wilhelmine von Anhalt-Dessau.

Liebenswertes Kleinod

Am 13. Juni vor 300 Jahren erblickte sie als das achte von zehn Kindern des Fürsten Leopold I. von Anhalt-Dessau das Licht der Welt. Dieser runde Geburtstag wurde am Wochenende auf ihrem Sommerwohnsitz gefeiert. Da ließ es sich auch der Chefgärtner des sechs Hektar großen Anwesens, Ralph Wels, nicht nehmen, Besucher durch den herrschaftlichen Garten zu führen. „Da hängen viele Kindheitserinnerungen dran“, erzählt Karin Schröter. Als Mosigkauer Urgestein ging sie vor Jahrzehnten ihren täglichen Schulweg durch die Anlage. In der Freizeit war es für sie und viele andere Kinder ein Riesenspielplatz. Noch heute beschreibt sie das Stück Land als „liebenswertes Kleinod“. „Nur schade, dass das nicht mehr von jeder Ecke zugänglich ist.“ Viele Tore bleiben heute zu, weil die heutige Hausherrin, die Dessau-Wörlitzer Kulturstiftung, Vandalismus und Hinterlassenschaften von Hundespaziergängen befürchtet.

Doch an diesem Geburtstags-Wochenende sollten die Nöte und Ärgernisse des Alltags außen vor bleiben. Da wollten viele die Anlage einfach nur genießen oder wie Schröter, die mit Schloss und Garten großgeworden ist, „das Ganze mal aus einer neuen Perspektive sehen“.

Mit elf anderen Besuchern schloss sie sich der Gartenführung an. Und Wels, der seit 1988 die gärtnerischen Geschicke in Mosigkau leitet, hatte viel zu erzählen. Von den Porzellankugeln etwa, die die Maulwürfe zutage förderten. Sie waren Teil der Munition, mit der schon zu Zeiten der Prinzessin Jagd auf Vögel gemacht wurde. 1757 zog die Schlossherrin in ihr Refugium ein. Sichtachsen ließ sie auf der Vorder- und Rückseite des Schlosses errichten, um daran ihren Garten auszurichten.

Das war barock, das war zu dieser Zeit en Vogue. Eine Walnussplantage, Birnen-, Apfel- und Kirschbäume wurden gepflanzt, vor dem Haupteingang des Schlosses ein Ehrenhof angelegt. Schließlich wollte und musste man repräsentieren. Obwohl nie verheiratet und nie in Regierungsverantwortung, mauserte sich Anna Wilhelmine zur Dessauer Grande Dame.

Nur noch drei statt sechs Gärtner

Oft repräsentierte sie den Hof auf ihrem Sommersitz und hielt trotzdem die Finanzen zusammen, so dass ihr testamentarisch verfügter adliger Damenstift, der nach ihrem Tod 1780 im Schloss entstand und bis 1945 Bestand hatte über ordentliches Kapital verfügte. Auch ein gepflegter Garten gehörte zur Grundausstattung. Rabatten, Kübelpflanzen, Hecken, ein Irrgarten und eine Fläche zum Boule gehörte zum guten Ton. Nur ihr Traum von den Wasserspielen ist immer ein Traum geblieben. „Es war sehr aufwendig und teuer. Deshalb gab es so etwas nicht“, erzählt Wels. Das liebe Geld habe schon immer eine entscheidende Rolle gespielt, resümiert der Gärtner.

Einst wollte man sich im 19. Jahrhundert durch den Verkauf von Kübelpflanzen finanziell sanieren und hat zum Glück doch kalte Füße bekommen. Manches Juwel, wie ein Granatapfel aus Versailles, der heute straßenseitig vor der Orangerie blüht, wäre sonst verloren gegangen.

Das Erscheinungsbild des Gartens änderte sich häufig. Seit 1988 bringt Wels mit seinem Team wieder die Ursprünge zurück. Das macht viel Arbeit, wie überhaupt alles in Schuss zu halten, wenn des lieben Geldes wegen er nur noch auf drei statt ursprünglich sechs Gärtnerinnen zurückgreifen kann. „Manches könnte gepflegter sein“, bilanziert er. „Schloss und Garten sind trotzdem unser ganzer Stolz“, sagt mit Karin Schröter eine Ur-Mosigkauerin. (mz)

Wann nimmt man sich schon mal Zeit für ein Dominospiel? Am Sonntagnachmittag war im Schlossgarten Zeit und Gelegenheit dafür.
Wann nimmt man sich schon mal Zeit für ein Dominospiel? Am Sonntagnachmittag war im Schlossgarten Zeit und Gelegenheit dafür.
Lutz Sebastian Lizenz
Das Spiel mit den bunten Murmeln begeistert auch die Kinder von heute.
Das Spiel mit den bunten Murmeln begeistert auch die Kinder von heute.
Lutz Sebastian Lizenz
Der Maler Bernhard Schmidt beim Kopieren eines Originals im Saal.
Der Maler Bernhard Schmidt beim Kopieren eines Originals im Saal.
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