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Letzter deutscher Hafenschlepper mit kohlebefeuertem Dampfantrieb 1904 in Roßlau gebaut - Wie Schleppdampfer Woltmann als Modell in die Elbestadt zurückkam

Von Silvia Bürkmann Aktualisiert: 03.01.2022, 15:59
Dieter Herrmann (links) und Hans Friedrich haben im  Roßlauer Schiffermuseum für  das Modell vom Schleppdampfer „Woltman“  ein  Plätzchen reserviert.
Dieter Herrmann (links) und Hans Friedrich haben im Roßlauer Schiffermuseum für das Modell vom Schleppdampfer „Woltman“ ein Plätzchen reserviert. (Foto: Thomas Ruttke)

Rosslau/MZ - Er ist der letzte seiner Art: Der Schleppdampfer WOLTMAN ist der letzte seegängige Schlepper mit Dampfantrieb und kohlegefeuertem Kessel in Deutschland. Gebaut 1904 auf der Schiffswerft der Gebrüder Sachsenberg in Roßlau und bis heute im Museumshafen Hamburg Övelgönne unterwegs. So genannte seegängige Schlepper (Hochseeschlepper) werden zum Ziehen oder Schieben anderer Schiffe, Schubverbände oder havarierter Schiffe eingesetzt.

Sachsenberg-Stiftung übergibt Modell als Dauerleihgabe an Schiffermuseum Roßlau

Und jetzt ist Woltman zurück in seiner Heimstatt. Wenn auch nur als Modell im Maßstab 1:22. Die WOLTMAN ist wieder in der Werft vor Anker gegangen im Schiffermuseum der Elbestadt in der Clara-Zetkin-Straße. Übergeben hatte das Modell als Dauerleihgabe die in München beheimatete Gotthard-Sachsenberg-Stiftung anlässlich der Jahresversammlung des Stiftungsrates in Dessau.

Der Gotthard-Sachsenberg-Stiftungsverein hatte in dieser Versammlung zugleich Kai Sachsenberg als Vorsitzenden eingesetzt. Der neue Chef des Stiftungsvereins ist einer der Söhne des 2011 verstorbenen Klaus Sachsenberg, der in den 1990er Jahren die Verbindungen der Unternehmerfamilie zur Stadt Roßlau als Standort der ersten Sachsenberg-Firmen Werft und Maschinenfabrik wieder aufnahm und vertiefte. Im Frühjahr 2007 hatte die Stadt Roßlau Klaus Sachsenberg die Ehrenbürgerwürde verliehen.

Baukosten lagen 1904 bei 66.300 Reichsmark

Die Roßlauer Schiffswerft der Sachsenbergs hatte 1866 am Elbkilometer 258 die Arbeit aufgenommen und nach anfänglichen Schiffsreparaturen 1869 mit „Hermann“ den ersten Raddampfer aus eigener Fertigung vom Stapel gelassen. 35 Jahre später erhält der von der Hansestadt Hamburg 1903 bestellte, in Stahl zusammengenietete Schleppdampfer bereits die Bau-Nummer 528. Die Sachsenbergwerft am Elbkilometer 257,3 hat sich für die deutsche Flussschifffahrt längst einen Namen gemacht.

1904 bereits kann der Schleppdampfer Woltman ausgeliefert und beim Stromund Hafenbau Hamburg in Cuxhaven stationiert und in Dienst gestellt werden: Die Baukosten für den Schlepper werden mit 66.300 Mark angegeben. Der Dampfer ist 22,25 Meter lang, 5,54 Meter breit an den Seiten von 2,90 Meter hoch. Auch der mit Steinkohle befeuerte Schiffskessel und die Dampfmaschine mit einer Leistung von 240 bis 268 PS stammte aus dem Hause Sachsenberg.

Dampfer Woltman, 1904 in Roßlau gebaut, fährt jetzt Passagiere durch den Hamburger Hafen.
Dampfer Woltman, 1904 in Roßlau gebaut, fährt jetzt Passagiere durch den Hamburger Hafen.
Repro: Thomas Ruttke

Am Bord war eine fünf Mann große Besatzung: Ein Kapitän/ Schiffsführer, ein Maschinist, zwei Heizer und ein Bootsmann fürs Anund Ablegen des Dampfers. Einsatzgebiete waren die Unterelbe und die Elbmündung zur Nordsee. Hier half Woltman den Wasserbauern vom Wasser- und Schifffahrtsamt Cuxhaven und vom Niedersächsischen Hafenamt bei der Freihaltung der Fahrrinne und beim Verklappen des Aushubs. Bis 1976 hatte der Hafenschlepper entlang der 80 Kilometer zwischen Hamburg und Cuxhaven gut zu tun. Dann wurde der Schlepper aus wirtschaftlichen Gründen ausgemustert und in die Niederlande verkauft.

Die nächsten Einsatzorte sind nicht belegt, sagen Dieter Herrmann und Hans Friedrich vom Schifferverein Roßlau. Fest steht nur: Woltman wurde nicht verschrottet. 1984 kam das Schiff wieder nach Deutschland.

Der „Museumshafen Kappeln e.V.“ aus Schleswig Holstein hatte den Dampfer „Woltman“ erworben. Anschließend wurde er nach Hamburg auf die Schiffswerft Buschmann & Söhne geholt. Dort erfolgte die Reparatur des Traditionsschiffes. Nach langem Stillstand konnte Woltman Anfang 1994 wieder in Betrieb gehen und bekam im gleichen Jahr im Mai eine große Bühne beim Hamburger Hafengeburtstag.

Sanierung verlief anhand geretteter Originalunterlagen und Baupläne

1994 auch nahm der neugegründete „Förderverein Schleppdampfer Woltman e.V.“ den alten Schleppdampfer in Besitz. Das Ziel: Das Schiff in den technischen Originalzustand des Jahres 1904 versetzen und als technisches Kulturdenkmal in Fahrt halten sowie der Öffentlichkeit zugänglich machen. Bei der dafür zwischen 1997 bis 2004 notwendigen Restaurierung halfen neben dem erhaltenen Generalplan des Schiffes noch 86 weitere Detailzeichnungen aus dem Jahr 1903.

Diese Flagge wehte am Dampfer Woltman beim Einsatz auf der Unterelbe.
Diese Flagge wehte am Dampfer Woltman beim Einsatz auf der Unterelbe.
Foto: Thomas Ruttke

Sie machten es der Organisation „Jugend in Arbeit“ möglich, Mannschaftsraum und Kajüten zu rekonstruieren. Auch Schiffsrumpf, Maschine, Dampfkessel und Schornstein wurden restauriert. Nach erfolgreicher Abnahme durch die BG See (Berufsgenossenschaft See) und den GL (Germanischen Lloyd) zu Überprüfung der fahrenden Flotte ist der Veteran seit 2004 auch für Gästefahrten mit maximal 25 Personen zugelassen.

Schlepper Woltmans Standort ist seither im Hamburger Stadtteil Othmarschen an der Unterelbe. Der Museumshafen Övelgönne liegt weitab: Stromkilometer 626,7

Das Schiffermuseum Clara-Zetkin-Straße 30 Roßlau macht bis 17. Januar 2022 Winterpause. Besucher können sich dennoch für eine Führung anmelden unter Telefonnummer 034901/8 48 24.