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17-jährige Mutter im Dessauer Mütterhaus 17-jährige Mutter im Dessauer Mütterhaus: "Ich habe viel Mist gebaut"

Von Sylke Kaufhold 25.08.2015, 07:57
Melanie Schmidt und Töchterchen Vivien sind glücklich miteinander.
Melanie Schmidt und Töchterchen Vivien sind glücklich miteinander. Lutz Sebastian Lizenz

Dessau - Eis essen und ein Spielplatzbesuch stehen an diesem sonnigen Nachmittag bei Vivien und ihrer Mutti auf dem Programm. „Nach dem Mittagsschlaf“, betont Mutti Melanie Schmidt und das anderthalbjährige blonde Mädchen nickt. Alles klar!

Die beiden sind ein Traumpaar, führen eine vorbildliche und sehr enge Mutter-Kind-Beziehung. Dabei sah es vor der Geburt des Kindes ganz anders aus. Melanie war gerade 15 Jahre alt, als sie schwanger wurde. „Das war ein Schock“, erinnert sie sich. Eine Abtreibung war nicht mehr möglich, sie war bereits im fünften Monat. Während ihre Mutter die Nachricht gefasst aufgenommen habe, sei ihr Vater völlig ausgerastet, erzählt Melanie. „Er hat mir die Hölle heiß gemacht, die Treppe runtergeschlagen, so dass ich ins Krankenhaus musste.“

An diesem Punkt machte das Jugendamt Druck. „Sie stellten mich vor die Wahl, entweder ins Mütterhaus zu gehen oder mir das Kind wegzunehmen“, erinnert sich Melanie noch sehr gut an die Situation. „Ich bin ein Mutterhammel“, gibt sie zu, „das war ganz schön schwer für mich.“

Das Mütterhaus bietet jugendlichen Schwangeren oder Müttern, die nicht in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können, eine Hilfe in ein eigenständiges Leben. Dabei ist die aktive Mitarbeit der Mädchen unabdingbar für den Erfolg.

Die Einrichtung besteht seit 21 Jahren und wird von der ASG Dessau betrieben. Im Haus können vier Mütter mit ihren Kindern wohnen. Das Einzugsgebiet sind neben Dessau-Roßlau vornehmlich die Landkreise Wittenberg und Bitterfeld sowie Merseburg.

Zum Team des Mütterhauses gehören eine Sozialpädagogin, eine Sozialarbeiterin und drei Erzieherinnen. Ein Großteil der Mitarbeiterinnen ist über 50. Fachkräfte zu finden, ist auch hier ein großes Problem. Wochenend- und Schichtdienste scheinen abzuschrecken.

Die Einrichtung befindet sich in der Damaschkestraße 14. Die Zuweisung erfolgt über die Jugendämter, mit denen das Haus eng zusammenarbeitet. Die Nachfrage ist höher als das Platzangebot.

Seit zwei Jahren lebt Melanie, die aus Bitterfeld kommt, im Dessauer Mütterhaus im Süden der Stadt. Und sagt heute: „Ohne die Hilfe der Mitarbeiter hier hätte ich das nicht geschafft. Ich fühle mich wohl hier, uns geht es richtig gut.“ Vier junge Mädchen - zwei schwanger, zwei mit Baby - leben derzeit in der Einrichtung, die von der Arbeits-und Sozialförderungsgesellschaft Dessau betrieben wird. Probleme, sich an die Hausregeln zu halten, hatte Melanie nicht. Ihr Zimmer, das sie mit dem Töchterchen bewohnt, sauber halten, Wäsche waschen, das gemeinsame Spiel- und das Wohnzimmer aufräumen und Küchendienst gehören dazu. Die Versorgung ihres Babys hat Melanie wie selbstverständlich angenommen. Am Anfang habe ihr eine Hebamme zur Seite gestanden, erzählt die heute 17-Jährige. „Das war eine große Hilfe, vor allem beim Stillen.“ Auch von den Erzieherinnen habe sie viel Zuspruch bekommen, „sie haben mich immer wieder bestärkt und mir Kraft gegeben.“

Melanie hat sich durchgeboxt. Heute könne sie sich ein Leben ohne ihre Vivien gar nicht mehr vorstellen. Ihr früheres Leben ist ihr heute fremd. „Ich habe viel Mist gebaut“, schaut sie selbstkritisch zurück, „habe in den Tag hineingelebt, Party gemacht, mich um nichts gekümmert.“ Auch um die Schule nicht. Die besucht sie erst wieder seitdem sie im Mütterhaus wohnt. Die 7. und 8. Klasse musste sie wiederholen. Ab dem neuen Schuljahr wird sie das Produktive Lernen besuchen und dort ihren Hauptschulabschluss machen. Altenpflegerin würde sie gerne werden. „Ich weiß, das wird schwer, aber ich will es unbedingt schaffen, damit ich meinem Kind etwas bieten kann“, hat die neue Melanie ein festes Ziel.

Durchschnittliches Alter 16 Jahre

Melanie ist eine typische Mütterhaus-Bewohnerin. Im Durchschnitt seien die Mädchen 16 Jahre, wenn sie in die Einrichtung kommen, berichtet Hausleiterin Maria Mattke. „Ihr häusliches Umfeld stimmt nicht, oft sei häusliche Gewalt im Spiel, auch Alkohol und Drogen“, zählt sie Gründe auf, warum die Mädchen betreut werden. Auch bei Melanie sei es so gewesen. Obwohl eine enge Bindung zur Mutter bestehe, habe diese ihrer Tochter und deren Kind kein stabiles Umfeld bieten können.

Für Melanie war das Mütterhaus genau die richtige Entscheidung. „Sie ist von der Persönlichkeit her sehr gereift, verantwortungsvoller und ehrlicher zu sich selbst geworden“, lobt Maria Mattke ihren Schützling. Für die Neuen sei sie sogar Vorbild. „Sich an Regeln und Ordnung zu halten, fällt den meisten sehr schwer“, so Mattke.

Melanie meistert ihr Leben inzwischen weitgehend ohne Hilfe, nur beim Umgang mit Behörden werde sie noch unterstützt. Im Januar wird sie 18 und im Februar/März aus dem Mütterhaus ausziehen. Anfangs wird sie von den Mitarbeitern noch betreut werden, „bis alles richtig gut klappt“, sagt Maria Mattke, die aber keinen Zweifel hat, dass das lange dauern wird. (mz)