Schach- und Lebensgeschichte Zwei Jahre Recherche: Buch über Dessauer Meister hat Platz in Löberitzer Schachbibliothek gefunden
Autor Konrad Reiß hat sogar einen bislang verschollenen Grabstein von Otto Rosenbaum bei seinen Recherchen entdeckt.

Löberitz/MZ - Vor 150 Jahren sah die Schachwelt noch ganz anders aus: Computer, die den Menschen beim „Spiel der Könige“ schlagen konnten, gab es noch lange nicht. Stattdessen, und das ist in Löberitz und Dessau noch heute der Rede wert, wurden Schachzüge per Postkarte und Eisenbahn übermittelt. 1883 war vor allem einer am Zug, dessen Postkarten aus Dessau noch heute erhalten sind: Otto Rosenbaum.
Über den 1852 geborenen und „fast vergessenen Schachgroßmeister“ hat Konrad Reiß ein Buch geschrieben. „Rosenbaum begründete 1883 das Schachleben in Dessau“, sagt Reiß. Außerdem war es dem Autor und Leiter des Löberitzer Schachmuseums wichtig, die Biografie eines bedeutenden Juden in Anhalt aufzuschreiben. „Als Deutsche haben wir eine besondere Verantwortung, was das Thema betrifft.“
Ewiger Zweiter?
Schon in den Anfangsjahren des Dessauer Schachklubs machte Otto Rosenbaum Schlagzeilen. Eine der ersten verbrieften Partien spielte Otto Rosenbaum 1883 beim Treffen des Saale-Schachbund in Halle – und verlor im Finale gegen den aufstrebenden Spieler Siegbert Tarrasch. Genau das gleiche Ergebnis erreichte er beim Schachbund-Turnier in Löberitz.
Dass oftmals nur die Niederlagen von Otto Rosenbaum erhalten sind, ist einfach zu erklären: Die Partien der Großmeister wurden in Zeitungsspalten besprochen und in Büchern abgedruckt, und da suchten sich die Herren nur die Siege heraus. „Die großen Meister der damaligen Zeit legten einen gewissen Stolz an den Tag, wenn sie ihre Siege präsentieren konnten“, schreibt Reiß.
Doch natürlich heimste der passionierte Schachspieler auch Siege ein, vor heimischer Kulisse am 6. und 7. Juli bei der vierten Bundesversammlung des Saale-Schachbundes. Das Dessauer Turnier hatte Otto Rosenbaum selbst mit vorbereitet - und krönte seine Arbeit.
Ein zweites „Correspondenz-Schachspiel“ ist ebenfalls überliefert: Gegen den ersten Damenschachklub aus Ströbeck gab es einen Vergleich, den die Dessauer sogar mit einem Gedicht begannen. Otto Rosenbaum versandte die Postkarten mit den Anweisungen zu den Schachzügen, postwendend kamen die Antworten. Die Dessauer bewiesen allerdings das größere Geschick, die Damen gaben auf. Der freundliche Ton in den Zuschriften sei für die Zeit bemerkenswert.
Grabstein entdeckt
Nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Sport blieb Otto Rosenbaum ein erfolgreicher Kaufmann, angesehenes Mitglied der Zivilgesellschaft und der jüdischen Gemeinde. Er erlebte den Bau der Synagoge und war an der Gründung der Deutschen Demokratischen Partei in Dessau beteiligt. Die Machtergreifung, die Reichspogromnacht und die Repressionen gegen Juden im Deutschen Reich musste Rosenbaum nicht mehr erfahren: Am 27. März 1923 verstarb der ehemalige Schachgroßmeister mit 70 Jahren. Bei seinen Recherchen entdeckte Konrad Reiß auch den bis dato verschollenen Grabstein in Dessau wieder.
Am kommenden Freitag stellt der Löberitzer Museumsleiter sein neues Buch im Rahmen der Schachtage vor. Die Schachspiele treten in den Hintergrund, das Leben des Otto Rosenbaum soll eine Bühne bekommen. Um 17.30 Uhr beginnt die Veranstaltung in den Räumen des Löberitzer Schachmuseums in der Straße der Jugend 3.
