Von Portugal nach Brehna Von Portugal nach Brehna: Junge Portugiesinnen beginnen ihre Ausbildung

Brehna - Das neue Ausbildungsjahr startet. Und erneut müssen viele Unternehmen in der Region in diesem Durchgang ohne Nachwuchskräfte auskommen: Allein im Landkreis Anhalt-Bitterfeld waren bis Ende Juli noch rund 210 Ausbildungsstellen unbesetzt. Das teilte die Agentur für Arbeit Dessau-Roßlau-Wittenberg mit.
Vom Mangel an geeigneten Bewerbern war auch der Arzneimittelhersteller Mibe GmbH betroffen. „Zwei Jahre lang konnten wir eine Ausbildungsstelle zum Koch nicht besetzen“, erzählt Personalreferentin Sandra Renner. Das Unternehmen ist seit 2003 in Brehna ansässig und hat dort von Beginn an Lehrlinge ausgebildet.
Im Laufe der vergangenen Jahre habe sich der Ausbildungsmarkt aber stark verändert, sagt Mibe-Geschäftsführer Hans-Georg Feldmeier. „Anfangs haben wir zahlreiche Bewerbungen erhalten.“ Doch das Blatt hat sich gewendet. Seit drei Jahren müsse Mibe in verschiedene Werbeprojekte investieren, da sich von selbst kaum noch Bewerber für die ausgeschriebenen Stellen finden würden, so Feldmeier.
„Während wir unsere Stellen nicht besetzen können, ist die Jugendarbeitslosigkeit in anderen EU-Ländern zum Teil extrem hoch.“ Nachdem die Region zudem 20 Jahre lang von Europa profitiert habe, sei es für Mibe an der Zeit, etwas zurückzugeben. Deshalb schlägt der Geschäftsführer bei der Suche nach Azubis einen neuen Weg ein. Über die Industrie- und Handelskammer (IHK) Halle-Dessau entstand der Kontakt zu den Euro-Schulen in Halle, die am Bundesprogramm „MobiPro – EU“ beteiligt sind.
„Ziel des Projektes ist es, jungen Europäer, die in ihrem Herkunftsland keine Aussicht auf eine Ausbildung haben, eine solche in einem anderen EU-Land zu verschaffen“, erklärt Manfred Boide von den Euro-Schulen in Halle. „So soll der Jugendarbeitslosigkeit in den Herkunftsländern entgegengewirkt werden.“
Die Mibe GmbH Arzneimittel ist eine Tochterfirma der mittelständischen Unternehmensgruppe Dermapharm AG mit Sitz in Grünwald. Seit 2003 werden im Großraum Leipzig/Halle verschiedene Qualitätspräparate entwickelt und produziert. Zum Sortiment des Unternehmens gehören neben Arzneimitteln und Medizinprodukten auch unterschiedliche Kosmetika.
Am Standort in Brehna sind über 400 Mitarbeiter angestellt. Ausbildungsplätze bietet die Mibe GmbH Arzneimittel auch für junge Schulabgänger. Möglich sind Ausbildungen in den Bereichen Labor, Produktion, Lager und Verwaltung.
Im vergangenen Jahr haben 32 junge Spanier die Chance ergriffen, mithilfe des Programms eine Ausbildung in der Region zu beginnen. „Die Spanier bilden derzeit die größte Gruppe von ausländischen Azubis im südlichen Anhalt“, erklärt Björn Bosse von der IHK. Von den rund 9100 Azubis, die aktuell im Kammerbezirk erfasst sind, würden 120 eine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
„Wie viele davon aber speziell für die Ausbildung nach Deutschland gekommen sind“, so Bosse, „lässt sich nicht sagen.“ Zudem könne man derzeit nicht einschätzen, wie viele ausländische Bewerber in diesem Jahr hier in der Region in die Lehre gehen würde.
Zwei Namen stehen aber in jeden Fall schon fest: Daniela Ribeiro Rodriques und Veronica Olimpio Pina - zwei junge Frauen aus Portugal, die im Rahmen des Programms „MobiPro - EU“ und mithilfe der Euro-Schulen Halle einen Neuanfang in Sachsen-Anhalt wagen.
Per Skype-Konferenz kam es im Februar zu einem ersten Kennenlernen zwischen den jungen Frauen und dem Unternehmen Mibe, das Stellen für eine Köchin und eine Chemielaborantin ausgeschrieben hatte. Seit Anfang Juni sind die beiden jungen Frauen in Deutschland. Nach einem Intensivkurs an den Euro-Schulen in Halle, bei dem sie nicht nur die Sprache, sondern auch deutsche Gepflogenheiten vertieften, ging es nach Brehna.
Vier Wochen lang erhielten die 25-jährige Rodriques und die 26-jährige Pina bei einem Praktikum Einblicke in die jeweiligen Ausbildungsbereiche. Die jungen Frauen mussten aber auch unter Beweis stellen, dass sie für die Stellen geeignet sind - mit Erfolg. „Am 24. August fangen sie bei uns an“, erzählt Feldmeier. Während die Ausbildung zur Köchin drei Jahre dauert, sind bei Mibe für die Ausbildung zur Chemielaborantin dreieinhalb Jahre vorgesehen. Mehrere Jahre, in denen die jungen Frauen weit entfernt von ihren Familien auf eine bessere Zukunft hinarbeiten.
Nach dem Praktikum in Brehna kehrten beide Frauen für eine kurze Verschnaufpause nach Portugal zurück. Bis zum offiziellen Ausbildungsstart war aber noch einiges zu tun. Unter anderem musste jede ein deutsches Konto eröffnen, eine Krankenversicherung abschließen und eine Unterkunft finden. „Dabei stehen beiden jederzeit Ansprechpartner von Mibe zur Seite“, sagt Geschäftsführer Feldmeier.
Denn vor allem in der Anfangszeit sollen die jungen Frauen betreut werden - damit dem Neustart rund 2500 Kilometer von ihrer Heimat entfernt nichts im Wege steht. (mz)