Verein Aufbruch Verein Aufbruch: Nach der Eröffnung noch lange nicht offen
Bitterfeld/MZ. - Jürgen Lamer ist verzweifelt. Seine Tochter macht ihm große Sorgen. "Sie wird immer depressiver, sieht in ihrem Leben keinen Sinn mehr", berichtete er Montagabend am MZ-Lesertelefon. "Sie muss unbedingt unter Leute, sinnvolle Aufgaben bekommen."
Die 25-jährige Janet ist psychisch krank. Vor zehn Jahren erlitt sie einen Sportunfall. Als sie aus dem Koma erwachte, musste sie alles wie ein Baby neu erlernen und lernt noch. Durch viel Liebe und Förderung erreichten die Eltern Monika und Jürgen Lamer gemeinsam mit Ärzten und Therapeuten schon eine ganze Menge. "Einen Beruf kann Janet dennoch nicht ausüben", so der Vater. "Deshalb waren wir froh, dass es nun endlich in Bitterfeld eine Tagesstätte für psychisch Kranke gibt. Doch hier geht es einfach nicht voran."
Der Verein Aufbruch eröffnete die Tagesstätte am 24. April im Haus des Sports in der Niemegker Straße 22. Den erforderlichen Betreuungsantrag beim Amt für Versorgung und Soziales hatten Janets Eltern sowie weitere Betroffene längst gestellt. Doch daran liegt es nicht, dass in die Räume bisher kein Leben einkehrte.
"Wir haben immer noch keine Zustimmung vom Bauordnungsamt des Kreises", erklärt Siegfried Birkholz, Geschäftsführer des Aufbruch. Grund: Der Kreissportbund (KSB) als Vermieter der Räumlichkeiten musste einen Antrag auf Nutzungsänderung stellen - vorher befand sich hier eine Gaststätte. Dabei stieß die Baubehörde auf die fehlende Barrierefreiheit für Behinderte, die laut Paragraph 57 der neuen Bauordnung vom Mai 2001 gefordert wird. Der Antrag wurde nicht genehmigt.
"Wir haben das erst kurz vor dem Eröffnungstermin erfahren, ein Verschieben war nicht mehr möglich", so Birkholz. Mittlerweile konnte der Verein nachweisen, dass Rollstuhlfahrer nicht zu den Nutzern der Tagesstätte gehören werden, "weil wir für Körperbehinderte gar keine Betreuungsmöglichkeit haben". Dennoch steht eine Mitteilung der Baubehörde weiterhin aus.
Dieter Ullmann, als Mitarbeiter des Kreissportbundes zuständig für das Antragsverfahren, rennt sich fast die Hacken wund: "Einige nachgeforderte Unterlagen haben wir bereits im Mai an das Bauordnungsamt gegeben, jetzt warten wir weiter." Von der Feuerwehr habe er erfahren, dass jetzt noch ein Aufstellungsplan für die Einsatzfahrzeuge im Notfall zu erarbeiten sei. "Schriftlich haben wir das noch nicht. Wenn dem so ist, werden wieder einige Wochen vergehen, weil dafür umfangreiche Vermessungen notwendig sind."
Siegfried Birkholz indes sitzt wie auf Kohlen. "Unser Verein besteht aus wenigen Idealisten, die etwas für Kranke tun wollen. Wir sind Klinken putzen gegangen, haben Spendengelder geordert. Davon geht jetzt einiges für die laufenden Kosten drauf, ohne dass wir Leistung erbringen. Wir wollen endlich mit unseren Klienten arbeiten."
Die finanzielle Absicherung über das Amt für Versorgung und Soziales sei in Sack und Tüten, doch ohne behördliche Genehmigung baulicherseits kann nicht begonnen werden. Zwei Ergotherapeutinnen sitzen derweil zu Hause und warten auf ihren Einsatz. Genau so wie Janet Lamer und weitere Betroffene darauf warten, endlich eine sinnvolle Beschäftigung zu erhalten und gemeinsam die Selbstständigkeit im Alltag zu erlernen.
Einen Lichtblick scheint es jetzt zu geben. "Spätestens in den nächsten 14 Tagen ist mit einem Bescheid von uns zu rechnen", sagte Udo Pawelczyk, Pressesprecher beim Landratsamt, am Dienstag auf MZ-Anfrage. "Und der wird aus heutiger Sicht positiv ausfallen." Bis dahin werden die Räume der Tagesstätte in der Niemegker Straße weiterhin verwaist bleiben.