Stora Enso Stora Enso: Kaffee, Toast und die Morgenzeitung
Bitterfeld/MZ. - Samstagmorgen. Der Kaffee ist fertig, und durch die Küche zieht der Duft von frisch getoastetem Brot, gebratenem Schinken und Eiern. Das gemütliche Frühstück nimmt seinen Lauf. Während die rechte Hand nach der Gabel greift, fasst die linke schon nach der Tageszeitung.
In Tausenden von Haushalten im Landkreis Bitterfeld beginnt der Tag wohl so und nicht anders. Und genau dann startet auch der Papierkreislauf, sofern man überhaupt von einem Anfang und einem Ende sprechen kann.
Ist die Zeitung ausgelesen, landet sie nicht selten am nächsten Tag bereits in der blauen Tonne oder den blauen Iglus, die von der Wolfener Recycling GmbH in regelmäßigen Abständen geleert und deren Inhalt anschließend sortiert wird. Das Unternehmen verwertet im Jahr 5000 Tonnen, wie Geschäftsführer Hartmut Eckelmann sagt.
Wie kleine Schaufelräder wirbeln die Hände der Sortiererinnen das Papier durcheinander. Mit sicherem Blick erkennen die Frauen den Abfall, der herausgelesen werden muss. Sehr schnell, denn nahezu unaufhaltsam wie im Märchen vom süßen Brei drängen die Papiermassen aus der Luke heraus. Ramona Aberle und Silvana Lauterbach greifen hinein, lassen das unbrauchbare Material in den Schächten neben sich verschwinden. Immer wieder mit den gleichen Handgriffen. 1 000 Mal pro Schicht, 10 000 Mal oder gar 100 000 Mal? Keine weiß das genau zu sagen.
Die Arbeit ist körperlich sehr schwer und kann sehr unangenehm sein, wenn beispielsweise tote Tiere oder gebrauchte Hygienepapiere und -artikel vorbeikommen. "Es gibt fast nichts, was die Leute nicht in die Papiertonne werfen", weiß Eckelmann aus Erfahrung. Selbst Lohnzettel von Mitarbeitern einer Verwaltung sind ihm schon vor die Füße geflattert. "Das war echt spannend", erzählt der Geschäftsführer, der nichts auf seine Sortierer - in der Mehrzahl Frauen - kommen lässt. "Sie sind fleißig wie die Bienchen", lobt er.
Die "Bienchen" trennen seit 1992 den Inhalt der blauen Behältnisse in Zeitungen, Pappen und so genannte minderwertige Papiersorten. Alle werden verkauft. Das hochwertige Altpapier - unter Fachleuten auch als weißes Gold bezeichnet - wird zu Ballen gepresst. Das übernimmt seit dem vergangenen Jahr eine neue Presse, die alte musste nach mehr als 30 000 Betriebsstunden verschrottet werden, unterstreicht Betriebsleiter Reginald Buhl. Die Ballen, die von Monat zu Monat wechselnd an verschiedene Großhändler verkauft werden, bringen 450 Kilogramm auf die Waage und gehen zum großen Teil in die Papierfabrik des Stora Enso-Konzerns in Eilenburg.
Diese benötigt pro Jahr 500 000 Tonnen Altpapier, um wieder neues Zeitungsdruckpapier herstellen zu können, wie Klaus Große, Leiter Einkauf und Mitglied des Managements, erläutert. Ein Drittel der im gesamten Jahr benötigten Altpapiermenge kommt aus Sachsen, acht Prozent aus Sachsen-Anhalt, zehn Prozent sind Importe aus dem Ausland.
Wenn in diesem Jahr die EU-Erweiterung zum Tragen kommt, so hofft Große darauf, auch aus Polen und Tschechien noch mehr Altpapier einkaufen zu können. In Polen steht bislang nur eine einzige Deinking-Anlage.
Deinkt - übersetzt enttintet - wird auch in Eilenburg. Nach der Sortierung landet das Papier in großen Trommeln, wo es mit Wasser und farbablösenden Chemikalien in eine breiige Masse verwandelt wird. Das Entfernen der Druckfarbe nennen die Fachleute de-inken.
Doch zurück zum Brei. Dieser wird mit Wasser verdünnt, und es geht in Richtung Papiermaschine. Dieses 100 Meter lange "Monstrum" produziert in einer Minute 1 750 Meter Zeitungsdruckpapier. Es dauert etwa rund 40 Minuten, bis ein Tambour - eine Trommel - voller Papier ist. Dann wiegt er rund 40 Tonnen und hat 70 Kilometer Papier aufgewickelt. Das wird geschnitten, verpackt und auch in die Druckerei der Mitteldeutschen Zeitung nach Halle gebracht.
Am nächsten Morgen duftet es dann in den Küchen des Landkreises Bitterfeld wieder nach frischem Kaffee und getoastetem Brot, langen die rechten Hände nach der Gabel, die linken nach der Morgenzeitung.
Allerdings, so sagt Klaus Große, hält der Leser immer nur 80 Prozent seiner alten Zeitung wieder in den Händen. Das liege einfach in der Natur der Sache, denn die Papierfaser übersteht nur sechs bis sieben Zyklen ohne Einbringen von Frischfasern.
Das 100-prozentige Recycling also doch nur ein Werbegag? Auf keinen Fall.
Die 20 Prozent, die nicht mehr zu Zeitungsdruckpapier verarbeitet werden können, werden im Kraftwerk verbrannt, die dabei entstehende Energie zur Dampf- und Stromerzeugung genutzt. Selbst die Asche findet noch ihre Bestimmung im Straßenbau.