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Projekt Denkende Gesellschaft Projekt Denkende Gesellschaft: Junge Leute wollen zum Wählen animieren

Von Stefan Schröter 11.09.2017, 14:33
Quan Nguyen war zum ersten Mal in seinem Leben in Bitterfeld.
Quan Nguyen war zum ersten Mal in seinem Leben in Bitterfeld. Stefan Schröter

Bitterfeld - Die Arbeit an der Universität muss bei Quan Nguyen jetzt warten. Stattdessen läuft der 25-jährige Münchner durch die Straßen von Bitterfeld, Köthen oder Bernburg und spricht dort viele Leute an. Bis zu 100 Menschen sind es teilweise am Tag. Der Promotionsstudent ist Mitgründer des Vereins „Projekt Denkende Gesellschaft“. Rund 50 junge Leute aus ganz Deutschland waren in den vergangenen Tagen im Wahlkreis (WK) 71 aktiv und führten 1.239 Gespräche.

Leute zur Wahl animieren

Im WK Anhalt lag mit 59,4 Prozent die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013 am zweitniedrigsten, deutschlandweit wohlgemerkt. Nur der Nachbarlandkreis Harz unterbot diesen Wert. Deswegen ist Quan Nguyen mit seinem Team in die Region gekommen. Sie möchten diesen Wert im WK Anhalt bei der Bundestagswahl am 24. September nach oben schrauben. Aber wie eigentlich?

„Wir wollen, dass die Leute wieder mehr zueinanderfinden. Das ist eine Grundvoraussetzung für Demokratie“, sagt Nguyen, der seit zwei Jahren in Schottland promoviert. Er und sein Team wollen die Menschen zum Urnengang animieren, indem sie sich ihre Sorgen anhören und mit ihnen ins Gespräch kommen. „Denn es wird niemand kommen und uns retten, das müssen wir selbst tun.“ Sie fragen daher nach Werten, Zukunftsvorstellungen oder wen sie wählen würden.

Erste Eindrücke in Straßengesprächen

Nach knapp zehn Tagen auf der Straße ist Nguyen optimistisch, dass das erst in diesem Jahr gegründete Projektteam den WK Anhalt zumindest ein bisschen verändert hat. „Euphorie wäre zu hoch gegriffen, aber in der Gruppe ist eine vorsichtige Freude vorhanden, dass die Menschen uns zuhören und sich auch in den Gesprächen weiterentwickelt haben. Einige blühten regelrecht auf. Darüber freuen wir uns wahnsinnig“, bilanziert er.

Die Projektgruppe sammelte bei ihren Straßengesprächen durch den Wahlkreis viele Eindrücke. Nguyen hat erfahren, dass den Menschen gesellschaftlicher Zusammenhalt wichtig ist. Das fehle vielen. „Teils kam das in jedem zweiten Gespräch bei mir zur Sprache“, sagt der Projektmitbegründer. Viele Menschen würden sich zudem als Wendeverlierer fühlen, redeten von leeren Versprechungen der Politik, fühlten sich schlechter gestellt oder nicht anerkannt. „Ich kann den Frust mancher Menschen in dem Wahlkreis verstehen“, sagt Nguyen, schiebt aber sofort nach: „Ich habe aber kein Verständnis für die vorhandene Politikverdrossenheit.“ Er und sein Team setzen sich auch gegen Protestwahlen und Populismus ein.

Projekt Denkende Gesellschaft

Das Projekt Denkende Gesellschaft finanziert sich über Stiftungen und Spenden. Die Akteure haben in den vergangenen Tagen in der Jugendherberge in Bernburg geschlafen. Sie stammen aus ganz Deutschland, studieren oder kommen auch von den Pfadfindern.

Nguyens Traumziel für den 24. September: Eine Wahlbeteiligung von 70 Prozent im Wahlkreis 71. (mz)