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Musikerduo macht mit Stummfilmkino Halt in Wolfen  Musikerduo macht mit Stummfilmkino Halt in Wolfen : Ein Höhenflug in Schwarz-Weiß

Von Frank Czerwonn 29.02.2016, 17:26
Der Hörsaal wird zum Stummfilmkino. Die beiden Musiker begleiten die drei Filme live am Klavier und auf der Geige.
Der Hörsaal wird zum Stummfilmkino. Die beiden Musiker begleiten die drei Filme live am Klavier und auf der Geige. Michael Maul

Wolfen - Es rattert im Hörsaal. Und niemanden stört’s. Denn die Lacher und Juchzer der Zuschauer übertönen spielend die Geräusche, die einfach dazugehören zu diesem Filmabend anno dazumal. Schließlich flackert im historischen Hörsaal des Wolfener Rathauses am Freitagabend die legendäre Stummfilmzeit auf - ganz stilecht. Die Abenteuer früher Leinwandhelden wie Stan Laurel und Oliver Hardy oder Charlie Chaplin sind auf 16-Millimeter-Film gebannt und dessen Projektor rattert nun mal. Doch die wichtigeren Klänge kommen von Klavier und Geige. Denn die Stummfilme auf der Leinwand werden musikalisch live begleitet. Wie das in den 20er Jahren eben üblich war.

Stummfilmneulinge

Und das lockt fast hundert Zuschauer an. Wieso? „Wir haben noch nie einen Stummfilm auf einer Leinwand erlebt und sind sehr gespannt“, sagt Christa Tetzlaff. Ihre Mutter habe ihr früher davon vorgeschwärmt. Sie und ihr Mann freuen sich auch, den Hörsaal mal wieder zu sehen. Horst Tetzlaff hat hier früher als Abteilungsleiter im Kraftwerk Vorträge gehört, seine Frau als Buchhändlerin Bücher bei Veranstaltungen verkauft. Klaus Dieter Kern aus Zscherndorf dagegen hat schon früher gern Stummfilme im Bitterfelder Zeitkino gesehen. „Mit meiner Frau heute in diesem wunderbar sanierten Saal bei einem Glas Wein zu sitzen und diese Filme zu sehen, ist ein gemütlicher Start ins Wochenende.“

Prominente Unterstützung haben sich dafür die WBG Wolfen und der Campus-Verein geholt, die mit dieser Premiere eine Reihe starten, die den Hörsaal ins Kulturleben der Stadt rücken soll. Die Leipziger Musiker Tobias Rank und Gunthard Stephan gründeten 1999 ihr Wanderkino „Laster der Nacht“ und fahren mit einem umgebauten Oldtimer-Feuerwehrauto quer durch Europa, um unter freiem Himmel Stummfilme zu zeigen und musikalisch zu begleiten.

Premiere des Wanderkinos in Wolfen

Der Wolfener Auftritt ist auch eine Rückkehr zu ihren Wurzeln. „Denn Premiere mit unserem Wanderkino hatten wir in Wolfen - bei der Einweihung des Filmbands“, erzählt Rank. „Eigentlich sollte das 1999 eine kleine Sommertour werden - nun wurden daraus 17 Jahre.“ Doch ist der Hörsaal für solch ein Filmspektakel geeignet? „Der Saal ist toll und passt auch von der Akustik hervorragend“, schwärmt Rank. Und schon erlischt das Licht.

Rank greift sanft in die Tasten und begleitet Laurel und Hardy, besser bekannt als Dick und Doof, bei ihrem Gefängnisausbruch. Der führt sie hoch auf das Gerüst einer Wolkenkratzer-Baustelle. Dort zittern und balancieren sie auf den Stahlträgern und vollführen artistische Höchstleistungen - immer nah am Absturz. Das begeistert auch den zehnjährigen Ole Böhme aus Sandersdorf. Wie ein Film ohne Stimmen funktionieren soll, konnte sich der Junge zuvor kaum vorstellen. Und nun? „Das ist ganz toll. Und man versteht das auch ohne Sprache.“

So schöne Musik

Die elfjährige Luise Koitzsch ist nicht nur von den folgenden Slapstick-Kunststückchen fasziniert, die Charlie Chaplin als Hochstapler in „Der Graf“ aufs Parkett legt, sondern auch von den Handgriffen Gunthard Stephans auf der Geige. „Das ist so schöne Musik“, sagt sie dem Musiker später. Doch nichts davon ist einstudiert. Rank und Stephan improvisieren ihre faszinierenden Klangcollagen, werden schwelgerisch-melancholisch bei Liebesschwüren, rasant bei Verfolgungsjagden und dramatisch bei Schlägereien. Der beste Beweis ihrer Meisterschaft aber ist, dass man bald nicht mehr daran denkt, dass sie live spielen, weil die Musik mit dem Film verschmilzt. Und so gilt der Applaus nach gut eineinhalb Stunden den Musikern ebenso wie beispielsweise den erstaunlichen Filmtricks in „Sherlock Junior“, die einen träumenden Filmvorführer Buster Keaton in einen Film hineinkatapultieren.

„Das war eine tolle Alternative zu anderen Freitagabenden“, schwärmte denn auch Patricia Jeschke aus Delitzsch, deren Arbeitskollegin sie zur Veranstaltung überredet hatte. „Und dass Wolfen solch ein imposantes Gebäude als Rathaus hat, hätte ich nicht erwartet.“ Das dürfte Musik in den Ohren von WBG-Chef Voigt sein. Der sieht den Abend als vollen Erfolg. „Die nächsten beiden Veranstaltungen sind schon geplant.“

Am 11. März spielt Roger Tristao Adao spanische Gitarrenmusik, am 22. April folgt die musikalische Lesung „Freche Verse - nackte Noten“, ab 19 Uhr. (mz)