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Mit 35 Hunden unter einem Dach gelebt

Von Iris Lademann 14.07.2008, 16:47

Tornau v.d.H./MZ. - Doch die weißen Overalls und die hellblauen Handschuhe, die sie vor Ungeziefer schützen sollen, streifen sie noch nicht ab. In Gedanken versunken stehen die Frauen vor dem Wohnhaus in Tornau vor der Heide, aus dem sie seit Sonntagnachmittag insgesamt 35 Hunde geholt haben - und zwei Wellensittiche.

Claudia Bracke, die eine Tierpension betreibt und am Sonntag gerade Bereitschaft hatte, schaut zufällig auf die Uhr. "Vor genau 24 Stunden habe ich den Anruf bekommen", sagt sie in die Runde hinein.

Es ist Sonntagnachmittag, 15 Uhr. Bei Claudia Bracke klingelt das Telefon. Ihr wird von der Verwaltungsgemeinschaft Raguhn, für die sie die Tierbereitschaft übernommen hat, mitgeteilt, dass in einem Haus in Tornau eine Person reglos liege, man ihr aber nicht helfen kann, weil sich mindestens 20 Hunde im gleichen Raum befinden. "Von unterwegs habe ich Kerstin Jahn verständigt und ihr kurz Bericht erstattet", rekapituliert Claudia Bracke, die lange Jahre im Tierheim tätig war und auch heute noch für die Einrichtung "besonders schwierige Fälle" aufpäppelt. "Fast zeitgleich trafen wir beide ein", sagt Frau Bracke.

Zum Glück sei das Schlafzimmerfenster offen gewesen, so dass sie ins Haus gelangen konnten. "Die Hunde waren so verängstigt, dass ich keine Mühe hatte, sie von der auf der Couch liegenden Frau fern zu halten, damit die Sanitäter sie untersuchen konnten", meint sie weiter. Nachdem der Krankenwagen weg war, begann die eigentliche Arbeit - aber nicht nur für die Mitarbeiter des Tierheims, sondern auch für die des Ordnungsamtes Raguhn. Vier von ihnen waren bis Montagnachmittag ebenfalls mit vor Ort. Was sich ihnen im Inneren des Hauses für ein Bild bot, sei mit Worten kaum zu beschreiben. Der Gestank sei jedenfalls kaum zu ertragen gewesen.

Nachdem das Veterinäramt verständigt war, versuchten die Tierheimmitarbeiter, zu denen sich am Montag noch Nadine Eichhorst und Grit Koeckeritz gesellten, die verängstigten Vierbeiner einzufangen. "Die fünf völlig verdreckten Welpen habe ich gleich zu mir genommen", sagt Claudia Bracke. "Doch die drei alten Hunde, die abgemagert und apathisch in einer Zimmerecke hockten, mussten noch am gleichen Tag eingeschläfert werden", meint Nadine Eichhorst, die einfach nicht versteht, wie ein Mensch mit so vielen Hunden in einem total verdreckten und vermüllten Haus leben kann. Und noch weniger versteht sie, dass es sich bei der Besitzerin um die ehrenamtliche Bürgermeisterin des Ortes handelt, die noch bis zum Sonntag die Amtsgeschäfte geleitet hatte. Wiedergewählt worden sei sie allerdings nicht.

Claudia Bracke ist sich fast sicher, dass die Frau psychisch krank sein dürfte. "In Amerika nennt man so etwas Animale Hording, was soviel, wie Tiersammler bedeutet", sagt sie. Diese Menschen seien nicht böswillig, könnten aber keine Tiere abweisen. Und diese würden von ihnen auch gut mit Futter versorgt. Alles Übrige wachse diesen Menschen allerdings über den Kopf.