Missbrauch von Jungen im Ferienlager Missbrauch von Jungen im Ferienlager: Betreuer wird zu langer Haftstrafe verurteilt

bitterfeld/MZ - Nach nur zwei Verhandlungstagen hat das Landgericht Dessau am Dienstag den Bitterfelder Holger H. wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt. Der 43-Jährige war von Anfang an geständig, insgesamt drei Jungen in 14 Fällen missbraucht zu haben.
H. hatte 2009 und 2011 als ehrenamtlicher Betreuer in einem Ferienlager im nordrhein-westfälischen Geldern angeheuert und dort Kontakt zu den Jungen geknüpft. Ihm gelang es, die Eltern davon zu überzeugen, dass die Söhne bei ihm bestens aufgehoben seien. Doch H. verging sich immer wieder an den Kindern. Wobei es aus rein juristischer Sicht zumeist bei einem „leichten“ Missbrauch blieb.
Die siebeneinhalb Jahre verhing das Gericht schließlich, weil in das Urteil weitere und noch nicht abgegoltene Strafen eingingen. Darunter ist auch eine Verurteilung zu zwei Jahren und neun Monaten wegen Missbrauchs in 90 Fällen: H. hatte im Sommer 2012 während eines Pfadfinderlagers in Limbach-Oberfrohna immer wieder „Zeckenkontrollen“ durchgeführt. Die zehn- bis vierzehnjährigen Jungen mussten sich dafür komplett entkleiden. Gegen H. wurde zu diesem Zeitpunkt bereits ermittelt – in Geldern war kurz zuvor Strafanzeige gestellt worden.
Führungszeugnis ist freiwillig
Ob es möglich gewesen wäre, die Missbräuche zu verhindern, ist fraglich. Als H. 2009 zum ersten Mal in Geldern anheuerte, gab es für den Ferienlagerbetreiber keine Möglichkeit, von Ehrenamtlichen ein Führungszeugnis zu verlangen. Nach einer Gesetzesänderung im Jahr 2010 gab es diese zwar, aber es blieb letztlich bei einer freiwilligen Lösung.
Wohl auch deshalb, weil Kinder- und Jugendverbände am Nutzen der Maßnahme zweifelten: Ins Netz gingen nur einschlägig verurteilte Straftäter, viele Freiwillige betrachteten die Frage nach einem Führungszeugnis als Misstrauen gegen ihre Person und verzichteten ganz auf die Mitarbeit. Und schließlich gab es aus Sicht der Verbände datenschutzrechtliche Probleme: Nicht jeder Verein in der Kinder- und Jugendarbeit sei professionell genug organisiert, die Inhalte von Führungszeugnissen mit der nötigen Diskretion zu behandeln.
Bei H. wäre ein Führungszeugnis allerdings aufschlussreich gewesen: Neben den zahlloser Verurteilungen wegen Betruges findet sich auch eine aus dem Jahr 1996 wegen Missbrauchs.
Gab es einen Hinweis nach Limbach-Oberfrohna?
Unklar blieb im Dessauer Verfahren, ob Hinweise an den Ferienlagerbetreiber nach Limbach-Oberfrohna gegangen sind, dass gegen H. ermittelt werde. Der Bekannte einer Opferfamilie behauptete gegenüber der MZ, diese habe Kontakte dorthin aufgenommen. Allerdings ließ sich diese Aussage nicht überprüfen. Von Amts wegen dürfte wahrscheinlich nichts unternommen worden sein, weil die Ermittlungen damals noch ganz am Anfang standen und für H. die Unschuldsvermutung galt. Konkrete Informationen waren dazu aber weder von den Staatsanwaltschaften Kleve und Dessau noch von den übrigen Verfahrensbeteiligten zu erhalten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, sowohl Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte können in Revision gehen.