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Corona-Achterbahnfahrt Leiterin der Erich-Weinert-Schule Wolfen zieht Bilanz nach einem ungewöhnlichen Schuljahr

Schließungen, Homeschooling, Wechselunterricht - Schüler und Lehrer haben viel durchgemacht. Die Leiterin der Erich-Weinert-Schule Wolfen zieht Bilanz.

Von Frank Czerwonn 25.07.2021, 12:00
Sandra Berger, Leiterin der  Erich-Weinert-Grundschule in Wolfen, unterrichtet ihre Klasse.
Sandra Berger, Leiterin der Erich-Weinert-Grundschule in Wolfen, unterrichtet ihre Klasse. (Foto: André Kehrer)

Wolfen/MZ - Ein anstrengendes und wechselvolles Schuljahr geht zu Ende. Doch wie sind Schüler und Lehrer durch diese Achterbahnfahrt von Schulschließung, Notbetreuung, Homeoffice, Wechselunterricht, Neustart und Testpflicht gekommen? Wie konnte der Unterrichtsstoff vermittelt werden, wie gut wurde er von den Kindern aufgenommen?

Sind große Lernrückstände entstanden und welche Angebote, um diese aufzuholen, gibt es beispielsweise während der Sommerferien? Mit diesen Fragen hat sich der Bildungsausschuss von Bitterfeld-Wolfen befasst und Sandra Berger eingeladen. Die Leiterin der Grundschule „Erich Weinert“ in Wolfen zieht eine erhellende Bilanz.

Wie wurde der Unterricht während der erneuten Schulschließung ab Dezember 2020 organisiert?

„Wir hatten Glück im Unglück“, sagt Sandra Berger - und meint gleich mehrere Dinge damit. Natürlich habe die zweite Schulschließung ab 16. Dezember Schüler und Lehrer vor große Herausforderungen gestellt und die Wissensvermittlung massiv erschwert. Aber im Vergleich zur sehr plötzlichen Schließung im Frühjahr habe man nun ein, zwei Tage mehr Zeit gehabt, um das Homeschooling vorzubereiten. Und man konnte die gesammelten Erfahrungen nutzen.

„Außerdem haben wir unmittelbar vor der Schließung noch die Tablets vom Land bekommen. So konnten wir Kinder ohne Rechner technisch für das Homeschooling ausstatten.“ Doch scheint die Weinert-Schule hier eine positive Ausnahme zu sein. Andere Schulen hätten selbst im Februar 2021 noch keine Rechner erhalten.

Die Unterrichtsaufgaben habe man per Mailverteiler und über die Homepage an die Schüler verteilt. So seien auch die Lösungen zurückgekommen - wenn es technisch möglich war. Manche Eltern hätten stattdessen den Briefkasten am Schulgebäude genutzt. So manches sei eben auf digitalem Weg nicht möglich gewesen. So mussten beispielsweise Arbeitsblätter ausgedruckt werden. „Aber was sollen Familien tun, die gar keinen Drucker haben?“ Deshalb seien etliche Kolleginnen zu den Kindern nach Hause gefahren. Auch per Telefon wurde Kontakt gehalten.

Stark genutzt wurde der Onlineunterricht. „Viele Kolleginnen haben bis zu drei Mal am Tag per Videokonferenz unterrichtet.“ Vor allem in den ersten Klassen sei es wichtig gewesen, den tägliche Rhythmus vorzugeben. Bergers Fazit mit Blick auf die 265 Schülerinnen und Schüler: „In 90 bis 95 Prozent der Fälle hat das geklappt.“ Schwierigkeiten hätte es aber bei Schülern mit Migrationshintergrund gegeben.

Wurden die Unterrichtsziele erreicht und welche Lernrückstände gibt es?

Vor kurzem berichteten überregionale Medien von einer Untersuchung, nach der Homeschooling so effektiv sei wie Sommerferien. Sprich: Die Kinder lernen gar nichts Neues dazu. Sandra Berger widerspricht dieser Einschätzung energisch. So habe man manche Kinder während der Schließung durch die Notbetreuung regelmäßig gesehen und auch neuen Stoff eingeführt - ebenso für die Kinder im Homeschooling. Dazu seien zu Hause Aufgaben gelöst worden. „Es gab definitiv Lernzuwachs, sonst wären wir heute nicht an dem Punkt, an dem wir stehen.“

Außerdem seien die Mädchen und Jungen ja seit März wieder regelmäßig in die Schule gegangen. Auch Noten seien im 2. Halbjahr verteilt worden. Das Klassenleiter-Modell habe geholfen, in den wichtigen Fächern Deutsch, Mathematik, Sachkunde und Sport den Stoff zu vermitteln. Aber man habe nicht in jedem Fach Noten erteilt, manche Fächer wie Religion seien komplett weggefallen.

Berger schätzt ein, dass dadurch ein sicherer Übergang der Viertklässler in die 5. Klasse gesichert sei. „Da gibt es keinen Unterschied zu früheren Jahren.“ Von den 80 Schülern der ersten Klassen würden zwölf das Schuljahr wiederholen - ähnlich wie sonst auch. Dennoch hätten natürlich manche Schüler Defizite. „Wir schätzen, dass es bei etwa 20 Prozent Lernrückstände gibt.“

Wie wird Schülern mit Lernrückständen geholfen?

„Die Kinder bekommen die Möglichkeit, die Sommerschule zu besuchen“, sagt die Schulleiterin. Das Land zahle 32 Euro pro Schüler, das sind für die Weinert-Schule zusammen 8.100 Euro, die für Lehrkräfte, aber auch für Technik oder Lernspiele verwendet werden können. Man bezahle damit eine Firma aus Leipzig, mit der man bereits zusammenarbeite, um bei Kindern der ersten Klassen projektbegleitend Lernrückstände zu kompensieren.

Die  Erich-Weinert-Grundschule in Wolfen wird energetisch saniert.
Die Erich-Weinert-Grundschule in Wolfen wird energetisch saniert.
(Foto: André Kehrer)

Sommerschule bedeutet, dass in den Ferien eine Woche lang täglich zwei Stunden Unterricht stattfinden. Ausgelegt ist dies für bis zu 60 Kinder, viele hätten sich bereits angemeldet. Doch durch die Urlaubszeit sei es nicht allen, die das möchten, möglich, auch teilzunehmen. „Deshalb bieten wir im neuen Schuljahr über vier Wochen nachmittags eineinhalb Stunden zusätzlichen Unterricht an.“

Welche Auswirkungen hatten Homeschooling und Wechselunterricht auf die Lehrkräfte?

Berger bezeichnet diese Zeit als „nervenzehrend“. Denn für Lehrerinnen und Lehrer bedeutete Homeschooling, aber auch der Wechselunterricht einen enormen Mehraufwand. „An manchen Tagen waren sie von 7.30 bis 13.30 Uhr in der Notbetreuung und hielten nachmittags Videokonferenzen mit den Schülern ab.“ Der Aufwand für die Vermittlung des Schulstoffs sei enorm gewesen. „Vieles, was man sonst im Unterricht erklärt, musste schriftlich fixiert werden - aber so, dass die Schüler es auch verstehen.“ Arbeits- und Kontrollblätter mussten erstellt, alles versendet werden, die Antworten kontrolliert und dann den Schülern zurückgeschickt werden. „Denn die mussten ja wissen, was sie richtig oder falsch gemacht haben.“

Erschwert worden sei die Arbeit durch sehr späte Mitteilungen seitens der Behörden wie dem Kultusministerium. Erlasse und Briefe des Bildungsministers hätten schon im Netz gestanden, bevor die Schulen Kenntnis davon erhalten haben. Zudem seien Anweisungen „interpretierbar“ gewesen. „Die Kommunikation war furchtbar“, kritisiert Berger. Man habe sich oft alleingelassen gefühlt. „Viele Schulleiter haben dann einfach nach Gutdünken entscheiden müssen, wie bestimmte Dinge umgesetzt werden.“ Auch das habe Nerven und Zeit gekostet. Doch dank des Engagements aller Kolleginnen und Kollegen, aber auch der Kinder und Eltern habe man diese schwierige Zeit gemeistert.