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Kinderbetreuung Kinderbetreuung: Freie Platzwahl für 79 Euro

Von Alexander Schierholz 22.07.2002, 16:40

Pouch/Friedersdorf/MZ. - Die Forderung kam ohne Vorwarnung: Anfang Juli erhielten Anke Wagner und Dennis Goller aus Pouch Post von der Verwaltungsgemeinschaft Muldestausee. Der Inhalt: Das Paar soll künftig 79 Euro zusätzlich zu den üblichen Elternbeiträgen berappen, falls ihr Sohn Tom weiter in der Kindertagesstätte Friedersdorf betreut wird. Wagner ist sauer: "Davon war nie die Rede, als wir Tom im Februar angemeldet haben", sagt die junge Mutter.

Die Verwaltungsgemeinschaft beruft sich auf das Kinderbetreuungsgesetz (Kibeg) des Landes. Das regelt im Paragraphen 17 so genannte Ausgleichszahlungen: Demnach müssen Gemeinden, die keinen Kindergarten oder nicht genügend Plätze haben, den Gemeinden, in denen die Kinder statt dessen betreut werden, die Kosten anteilig erstatten (siehe Infokasten).

Genau mit dieser Situation sahen sich Anfang dieses Jahres auch Anke Wagner und Dennis Goller konfrontiert, als sie einen Kindergarten-Platz für ihren mittlerweile einjährigen Sohn suchten. In Pouch war keiner frei, also wichen die jungen Eltern nach Friedersdorf aus. "Noch im April", erinnert sich Wagner, "hieß es von der Verwaltung, es gebe keinen Grund, nicht weiter in Friedersdorf zu bleiben."

Nun ist das anders. Denn in dem Schreiben teilt die Verwaltung auch mit, ab 1. September stehe in der Kita Pouch wieder ein Platz zur Verfügung. Das junge Paar freilich würde seinen Sohn jetzt lieber in Friedersdorf lassen. "Dort hat er sich gut eingewöhnt", sagt Anke Wagner, die nicht einsehen mag, warum sie dafür nun zusätzlich Geld bezahlen soll.

"Das ist eine verfahrene Kiste", räumt Sozialamtsleiter Thomas Seidewitz ein. Da die Gemeinde Pouch den Eltern nun wieder einen Platz anbiete, sei sie laut Kibeg zur Ausgleichszahlung nicht mehr verpflichtet. "Daraus leiten wir ab, dass die Eltern zahlen müssen", sagt der Amtsleiter - obwohl das im Gesetz so nicht geregelt ist. Seidewitz spricht denn auch von einer "Grauzone". Im Sozialministerium hält man diese Auslegung trotzdem für rechtens. "Die Eltern haben die freie Wahl. Aber wenn sie einen ihnen angebotenen Platz in ihrem Heimatort nicht nutzen, müssen sie die Mehrkosten tragen", sagt Ministeriumssprecher Holger Paech.

Das Pikante an der Geschichte: Bisher haben sich die vier Muldestausee-Gemeinden um das Thema Ausgleichszahlungen überhaupt nicht gekümmert. "Wir haben das immer untereinander so geregelt", sagt Seidewitz. Aber nun habe der Friedersdorfer Rat Druck auf die Verwaltung ausgeübt: "Sorgt dafür, dass wir für die Betreuung fremder Kinder Geld bekommen, hieß es", so der Amtsleiter.

Friedersdorfs Bürgermeister Karsten Döring verteidigt das Vorgehen mit Blick auf die knappen Kassen seiner Gemeinde: "Wir haben ein Konsolidierungsprogramm, das wir strikt einhalten müssen. Wir sind gezwungen, jede Einnahmequelle auszuschöpfen." Freilich, sagt Döring, sei es auch nicht in seinem Sinne, dass nun die Eltern zahlen müssten.

Das sieht auch Dörings Poucher Amtskollege Hans-Peter Fabig so. Doch die Initiative zu einem Gespräch aller Beteiligten, wie es auch das Ministerium vorschlägt, müsse schon von Friedersdorf ausgehen. "Wir wollen beim Thema Ausgleichszahlung nicht vorpreschen", sagt Fabig.

Anke Wagner hat sich derweil an das Jugendamt beim Kreis gewandt. "Auch dort hieß es, dass die Zahlungsforderung rechtens ist", sagt sie. Man habe ihr geraten, in Pouch einen Antrag auf Kostenübernahme zu stellen. "Da wird doch ein Streit auf dem Rücken der Kinder ausgetragen", ärgert sich die junge Mutter.