Katastrophenschutz auf zwei Rädern Katastrophenschutz auf zwei Rädern: Motorräder für Feuerwehren Sandersdorf und Retzau

Sandersdorf/Retzau - Im ersten Moment kämpft Mario Bach noch etwas mit der 220 Kilogramm schweren Maschine. Der Schwerpunkt ist für ihn ungewohnt weit vorn. Und das schwere Zweirad auf den Ständer zu wuchten, ist auch nicht ganz leicht. Wie bei jedem Motorrad kommt es da auf das richtige Timing an.
Mit den Händen nach hinten ziehen und im richtigen Moment mit dem rechten Fuß zudrücken - das braucht Übung. „Man muss da mal eine richtige Testrunde machen, um den Dreh rauszubekommen“, sagt der Feuerwehrmann. Bach hat gerade das BMW-Motorrad, einen zugehörigen Helm und die Papiere von Landrat Uwe Schulze (CDU) übernommen.
Da der 37-jährige Sanitäter den entsprechenden Führerschein hat, darf er künftig damit über Straßen und Feldwege fahren. „Andere Kameraden haben natürlich auch einen Führerschein, ich bin also nicht der einzige, der fahren darf“, erklärt er.
Motorradfahrer soll für die Feuerwehr vor allem Kundschaften und melden
In den Gerätehäusern der Feuerwehren von Sandersdorf und Retzau (Raguhn-Jeßnitz) steht ab sofort jeweils eine Reise-Enduro des Modells F 750 GS von BMW. Doch auf Reisen gehen können die Feuerwehrleute damit natürlich nicht. Selbst wenn sie wollten. Denn die beiden Motorräder sind für den Fall einer Katastrophe im Landkreis Anhalt-Bitterfeld da, es sind Einsatzfahrzeuge.
Zur Brandbekämpfung oder zur Rettung von Personen ist ein Motorrad natürlich eher ungeeignet. Doch um ein überflutetes Gebiet auszukundschaften, Nachrichten ohne Handy oder Funk zu überbringen oder eine Person schnell von A nach B zu bringen, ist ein Motorrad sinnvoll. So jedenfalls sieht es die Verwaltung des Landkreises, die im Katastrophenfall die Verantwortung trägt.
Ganz neu sind die beiden Maschinen nicht mehr, obwohl auf dem digitalen Tacho nur ein paar Dutzend Kilometer angezeigt werden. Denn das Land Sachsen-Anhalt hatte sie im Dezember schon an den Landkreis übergeben.
In Retzau wird das Zweirad dem sogenannten Fachdienst „ABC“ unterstellt
Die Feuerwehren im Kreis konnten sich dann um die 48 PS starken Maschinen bewerben. Acht meldeten Interesse, beispielsweise in Köthen, Aken, Brehna oder Kleinpaschleben. Am Ende fiel die Wahl der Feuerwehrführung auf Sandersdorf und Retzau.
In Retzau wird das Zweirad dem sogenannten Fachdienst „ABC“ (atomare, biologische und chemische Gefahren) unterstellt. Experten für Tierseuchenbekämpfung gibt es dort bereits. In Sandersdorf soll das Motorrad im Katastrophenfall der Führungsunterstützung dienen und beispielsweise den bestehenden Funktruppwagen ergänzen. Mario Bach will die Maschine bis dahin ausgiebig testen. (mz)
In Deutschland ist der Katastrophenschutz weitgehend Sache der Bundesländer. Konkret können bei Großlagen die einzelnen Landkreise und Städte den Katastrophenfall ausrufen. Verantwortlich dafür ist der Hauptverwaltungsbeamte, also der jeweilige Landrat oder Oberbürgermeister - er übernimmt dann die Einsatzleitung. Falls ein Katastrophenfall ausgerufen wird, kann das weitreichende Folgen in finanzieller und versicherungstechnischer Hinsicht haben.
Nach dem Jahrhunderthochwasser im Jahr 2002 wurde der Katastrophenschutz in Deutschland kritisch untersucht. In mehreren Berichten beschreibt eine Kommission des Bundesinnenministeriums massive Lücken in der Katastrophenvorsorge, insbesondere bei der Koordination einzelner Akteure und beim Schutz kritischer Infrastruktur oder von Chemieanlagen. Auch die besonderen Herausforderungen in einer alternden Bevölkerung spielen dabei eine Rolle.