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Ivan Rebroff Ivan Rebroff: Schlange stehen für die Taiga-Ikone

Von Erhard Hellwig-Kühn 22.08.2003, 14:26

Wittenberg/MZ. - Etwa anderthalb Stunden vor Beginn des Konzertes mit Ivan Rebroff wuchs die Schlange der wartenden Fans vor der Stadtkirche über die Jüdenstraße bis fast zum Rathaus: Der Veranstalter sprach von knapp 1 300 Zuhörern, die sich schließlich in der mittlerweile stickigen Stadtkirche einfanden. Ein Phänomen, das in Wittenberg seinesgleichen sucht.

Der gebürtige Spandauer mit dem bürgerlichen Namen Hans Rippert schafft es seit nunmehr mehr als 40 Jahren, sein Image als Taiga-Ikone zu kultivieren. Seine zumeist auf Deutsch gesungenen Lieder verkörpern russische Exotik. Dabei ist das biologische Alter des nunmehr 72-Jährigen wie vor 30 oder 40 Jahren: unverändert. Und doch: Das Stimmvolumen, der Stimmumfang, sein Timbre haben naturgemäß in den Jahren gelitten. Seine Sprechstimme klingt eher russisch-heiser, ist allerdings der typische Rebroff-Sound wie ehedem, dank auch einer wohlausgefeilten Tontechnik.

Den Russen nimmt man Hans Rippert unbedingt ab, dafür sorgen auch sein großer Pelzhut und -mantel und sein mächtiger, immer noch hellbrauner Bart. Sicher - schwerfällig ist er geworden. Er kultiviert dies nach einer Bandscheiben-Operation mit einem Gehstock, der dem Alten Fritz abgeschaut ist, und indem er offen darüber raisoniert: Er würde eben wegen der vielen Säulen, die dem Publikum die Sicht auf ihn versperrten, sein Programm nicht nur im Altarraum, sondern auch im Mittelgang absolvieren und dies mit seinen täglichen Gehübungen verbinden.

Es ist eine besondere Form von Un-terhaltungsmusik, die Ivan Rebroff da inszeniert und die bei seinem Publikum nach wie vor sehr gut ankommt. Die Entwicklung der populären Unterhaltungsmusik ist vielschichtig, sie passt in keine Schublade. Tatsache ist, dass es im Westen spätestens seit den 70er Jahren mit Ivan Rebroff eine Russland-Welle des deutschen Schlagers gegeben hat. Sie passte in die damalige politische Entwicklung (Warschauer Vertrag, Sozialliberale Regierung).

In dem Rebroffschen Konzert wurden bei den Zuhörern Erinnerungen geweckt durch russische Lieder, die viele im Osten von ihrer Schulzeit her kennen. Russisch-orthodoxe Gesänge, in der Orgel-Begleitung von Andreas Kowalewski, Nürnberg, fanden breiten Raum wie auch Bearbeitungen etwa des "Heilig, Heilig" aus Schuberts Deutscher Messe, das mit tief-religiösem Gefühl intoniert wurde. Auch das inbrünstig vorgetragene Lied "Ich bete an die Macht der Lie-be" kam an.

Auf das Bachsche Choralvorspiel "Jesus bleibet meine Freude" in einer Bearbeitung für Gesang, Trompete und Orgel hätte man verzichten können, nicht aber auf das "Quartett Meteor", ein Balalaika-Ensemble aus St. Petersburg, das vor allem durch seine Zwischenmusiken wie zum Beispiel Tschaikowskis Nussknacker-Suite brillierte. Stehender Applaus galt einer Ikone, die zweifelsohne durch die Musik viel zur Völkerverständigung beigetragen hat.