Hochwasserschutz Hochwasserschutz: Die Goitzsche als Fluthelfer?

Bitterfeld-Wolfen/MZ - Die Stadt Bitterfeld-Wolfen schließt die Goitzsche nicht mehr per se bei Hochwasserschutz-Fragen aus. „Der See hat bereits eine festgelegte Staulamelle von einem Meter“, sagte Geschäftsbereichsleiter Stadtentwicklung und Bauwesen, Stefan Hermann, jüngst bei einem Gespräch mit Medienvertretern. Gemeint ist der Toleranzbereich, der beispielsweise bei Regenfällen gewisse Schwankungen zulässt.
Goitzsche könnte zwölf Millionen Kubikmeter Wasser zusätzlich aufnehmen
Damit könnte die Goitzsche aber auch – so Hermann – zwölf Millionen Kubikmeter Wasser zusätzlich aufgenehmen, zum Beispiel bei einer neuerlichen Flut.
Machbar sei dies aktuell bis zu einer Höhe von 75,5 Metern über Normalnull (NN) und damit 50 Zentimeter über der festgelegten Wasserspiegelhöhe über Normalnull. Steige das Wasser höher, dann drücke Grundwasser in die Stadt und es werde kritisch. „Dann schaffen wir es nicht mehr, das Wasser einen halben Meter unter den Kellern zu halten“, erinnerte Hermann.
Auch der neue Eigentümer der Goitzsche signalisiert jetzt Bereitschaft, den See beim Hochwasserschutz künftig mit einzubeziehen. „Darüber sind wir zwar nicht begeistert, weil wir die Uferbebauung danach ausrichten müssen. Aber einen Meter kann man durchaus draufpacken (im Toleranzbereich, d. Red.)“, erklärte Hans-Martin Oettinger, Geschäftsführer der Goitzsche-Grundstücksgesellschaft, auf Nachfrage der MZ. „Wir werden uns einem vernünftigen Konzept nicht verschließen“, zeigte sich Oettinger offen. Schließlich besäßen viele Seen einen gewissen Schwankungsbereich beim Pegel. Vor einem drohenden Hochwasser könnte Wasser aus der Goitzsche abgelassen werden. „Um danach eine Einstauung zu ermöglichen“, so Hermann.
Zusammenarbeit zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt
Dabei erinnerte er an eine Forderung der Stadt, die eine Zusammenarbeit zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt bei Hochwasser-Fragen sehen will: „Wenn es ein vernünftiges Bewirtschaftungskonzept mit allen Gewässern in der Region gibt und die Polder voll sind, dann kann man auch die Goitzsche-Lamelle als letzte Option nutzen“, so Herrmann. Auch Bitterfeld-Wolfens Oberbürgermeisterin Petra Wust (parteilos) meinte mit Blick auf ein länderübergreifendes Management: „Wenn das alles geklärt ist, dann können wir darüber reden: Was kann die Goitzsche aufnehmen?“ Unter den jetzigen Vorzeichen sieht die OB jedoch noch keinen solchen Spielraum: „Wir wehren uns dagegen, dass im Seelhausener See wieder der Stöpsel gezogen wird und wir dann zusehen müssen.“
Zwingend notwendig für einen ersten Schritt sei zunächst ein zweites Goitzsche-Auslaufbauwerk am Pegelturm. „Damit ein Abfluss von vier bis fünf Zentimetern pro Tag gewährleistet werden kann“, erklärt Hermann. Solch ein neues, tieferes Bauwerk kann sich auch der neue Eigentümer vorstellen.
Über den Auslauf zur Leine kann der Goitzsche-Pegel laut Hermann lediglich um einen Zentimeter pro Tag abgesenkt werden. Damit allein sei ein rasches Absenken bei einem drohenden Hochwasser unmöglich. Das jetzige Flutungsbauwerk am Pegelturm lässt ebenfalls kein schnelles Abfließen zu.
Anstauen der Goitzsche
Bislang hatte die Stadt Bitterfeld-Wolfen ein Anstauen der Goitzsche kategorisch abgelehnt. Der Wasser-Zufluss des Sees über den Seelhausener See dürfe maximal so hoch sein wie der gleichzeitige Abfluss. Das steht im Bitterfeld-Wolfener Maßnahmenkatalog zum Hochwasserschutz, der vor Monaten vom Stadtrat beschlossen wurde. Auch der Zweckverband Goitzsche sowie Landrat Uwe Schulze (CDU) stemmten sich zuletzt gegen ein Anstauen des Sees. Noch im November sagte Schulze: „Die Goitzsche ist kein Stausee und kein Hochwasserschutzbecken.“ Unklar ist jedoch, wie groß der Einfluss von Stadt, Landkreis und Zweckverband an der Goitzsche nach dem Verkauf überhaupt noch ist.
Auf der anderen Seite dürften die Stimmen aus Bitterfeld-Wolfen und die des neuen Eigentümers Konfliktpotenzial nehmen aus den noch offenen Ergebnissen der länderübergreifenden Arbeitsgruppe zum Hochwasserschutz. Darin sind unter anderem der Bergbausanierer LMBV sowie der Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) aktiv. Die Gruppe hält sich nach wie vor für ein neues Schutz-Konzept alle Optionen offen. Auch die Goitzsche will die Arbeitsgruppe dabei weiterhin nicht ausklammern.