"Hartz und herzlich" aus Wolfen-Nord "Hartz und herzlich" aus Wolfen-Nord: Und wo bleibt das Positive?

Wolfen - Es ist vorbei. Drei Wochen lang drehte sich am Dienstagabend beim Fernsehsender RTL 2 alles um eine Gruppe von Hartz-IV-Empfängern in Wolfen-Nord.
In Bitterfeld-Wolfen hat die „Sozialreportage“ heftige Reaktionen ausgelöst. Nach der Ausstrahlung des letzten Teils könnte man diese frei nach Erich Kästner in der Frage zusammenfassen: „Und wo bleibt das Positive?“
Natürlich hat der Sender mit „Hartz und herzlich“ den Unterhaltungswert im Blick und setzt deshalb bei der Auswahl der Pro-tagonisten auf möglichst großes Aufregungspotenzial. Das zumindest ist den Machern gelungen.
Mieter sind empört, dass ihr Wohnblock so negativ dargestellt wurde
Zweifellos zeigen sie einen Ausschnitt der Wirklichkeit in dieser Stadt, den man nicht verschweigen soll. Doch es ist eben nur ein kleiner, sehr spezieller Ausschnitt - selbst für das Leben in den Neubaublocks von Wolfen-Nord. Kein Wunder also, dass die Vorsitzende der Wolfener Wohnungsgenossenschaft (WGW), Sabine Barth, verärgert ist.
Die Genossenschaft ist einer von zwei Großvermietern in Wolfen-Nord, besitzt dort laut eigenen Angaben aktuell rund 3.700 Wohnungen. „Wir investieren so viel Kraft in den Standort und dann wird durch solch eine Sendung unser Image kaputt gemacht“, beschwert sich die WGW-Chefin.
Gedreht wurde in Wohnblocks der Wohnungs- und Baugesellschaft Wolfen. Deren Chef Jürgen Voigt sieht die Sendungen als „reine populistische Geschichte, um eine Story zu verkaufen“. Der gezeigte Block sei grundhaft saniert, Fußwege und Parkplätze gemacht, die Balkone mit Holzpalisaden versehen.
„In den 90 Wohnungen leben viele Mieter, die ich kenne. Die sind empört, dass ihr Block so negativ dargestellt wird“, sagt Voigt. Vor allem aber werde „der Ruf unserer Stadt absolut geschädigt“.
Zeichnen die Medien ein schiefes Bild von Bitterfeld-Wolfen?
Denn der in den TV-Sendungen gezeigte spezielle Alltagsblick prägt außerhalb der Stadt das Bild von ganz Bitterfeld-Wolfen mit. Und reiht sich damit ein in eine Reihe von überregionalen Film- und Textberichten, in denen die Stadt als Problemfall erscheint.
So entsteht ein schiefes Bild - und genau das treibt viele Einwohner um und lässt sie zum Beispiel auf der MZ-Facebook-Seite teils sehr harsch reagieren.
„Solche Menschen trifft man nicht nur in Wolfen-Nord. Die gibt es überall in Deutschland“, meint eine Leserin. „Sind solche Verhältnisse nur in Bitterfeld-Wolfen?“, fragt ein anderer. Ein Kommentator weist darauf hin, man sehe „immer nur den angeblichen Hauptblock und einen Block, der abgerissen wird. WoNo besteht doch nicht nur daraus!“.
Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU) wünscht sich positive Aufmerksamkeit für die Stadt
„Es geht hier nur um Quoten und nicht um Hilfe für die Betroffenen“, mutmaßt eine Nutzerin. Auch die gezeigten Hartz-IV-Empfänger bekommen viel Kritik, aber sie werden auch verteidigt: „Diese Menschen sind nun mal Teil unserer Gesellschaft. Sie realitätsnah zu zeigen, ihnen eine Stimme und ein Gesicht zu geben, muss einfach erlaubt sein“, lautet einer dieser Kommentare.
Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU) hat all die Berichte über die Stadt aus der letzten Zeit im Blick, wenn er sagt: „Ich wünsche mir, dass die Stadt mal die positive Aufmerksamkeit erhält, die mit den unglaublichen Leistungen der Menschen hier in den vergangenen 25 Jahren einhergeht.“
Dass es solche sozialen Fälle, wie sie die Reportage zeigt, hier gibt, „haben wir auch vorher gewusst“. Und davor verschließe man nicht die Augen. Er habe sein Team längst beauftragt zu schauen: Was gibt es derzeit für Hilfemaßnahmen? Was könne die Stadt zusätzlich mit Unterstützung von Land und Kreis tun, um Menschen zu helfen, ihren Alltag zu gestalten?
Pauschale Lösungen gebe es nicht. Doch Schenk, der selber im Heim aufwuchs, weiß aus eigener Erfahrung, „dass mit entsprechender Hilfe auch aus Kindern, die aus nicht so tollen Verhältnissen kommen, etwas werden kann“. (mz)