Harter Kampf gegen Wasser und Zeit
Bitterfeld/MZ. - Die Bilderflut auf dem Computerschirm reißt nicht ab. Hier ist festgehalten, wie das damals war: Die Menschen kämpfen bis zur Erschöpfung gegen das Hochwasser. Für Matthias Gabriel, Geschäftsführer des P-D Chemieparks Bitterfeld-Wolfen, bringen die Fotos die Tage zurück, die randvoll mit Entscheidungen waren, die keine Sekunde Aufschub dulden. Tage, in denen das Wort Verantwortung eine neue Dimension zu bekommen schien.
Kraft schießt das braune Wasser hinter Pouch in den Tagebau. 500 Kubikmeter pro Sekunde. "Das Wichtigste war, hier den Zufluss in die Goitzsche zu stoppen. Der Deich hatte absolute Priorität. Wäre die Aktion nicht gelungen, hätte Bitterfeld richtig unter Wasser gestanden", erklärt er. Die B 100 auf der gegenüberliegenden Seite der Goitzsche hat die Bundeswehr mit schweren Stahlplatten belegt, um zu verhindern, dass der Asphalt rutscht, die Straße weg bricht wie Papier. Das Wasser hätte freie Bahn nach Bitterfeld gehabt. Am Deich bei Pouch wird hart gearbeitet. Doch siegt in diesem ungleichen Kampf immer wieder die Mulde. "Der Landrat hat die Chemieparkgesellschaft dann beauftragt, den Zufluss in die Goitzsche zu stoppen", blickt Matthias Gabriel zurück. Jürgen Preiss-Daimler, Geschäftsführender Gesellschafter des Chemieparks, entschied: Alle verfügbaren Leute und Lkw werden zusammengeholt. Die Baustellen im Chemiepark werden vorübergehend stillgelegt. Der Kampf gegen die Wassermassen wird eine Materialschlacht. Hunderte Menschen, unter ihnen viele Freiwillige, sind im Einsatz.
Innerhalb weniger Stunden ist in der Nacht vom 17. zum 18. August schwere Wasserbautechnik organisiert, über 150 Sattelschlepper, die je 40 Tonnen Ladung fassen, setzen sich in Bewegung. "Von 6 bis 14 Uhr haben wir eine zweispurige Baustraße zur Bruchstelle des Damms gebaut - inklusive Lagerplatz für die Gesteinsbrocken, die versenkt werden mussten, um das Wasser zu bändigen", blickt er zurück. "Der glückliche Zufall war, dass wir im Chemiepark gerade viele Baustellen hatten."
Die Telefonleitungen sind überlastet, das Mobilfunknetz nahezu tot. Die Kommunikation ist ein Problem, das sich nur noch über Treffen regeln lässt. Das kostet Zeit. Die Polizei sperrt Straßen ab, damit die beladenen Brummis ungehindert durchkommen. Drei Tage arbeiten die Männer in Schichten - rund um die Uhr. Die Natur ist nicht zu bändigen. Je mehr Gestein in den reißenden Strom gekippt und er damit eingeengt wird, umso wilder wird er. Tausende Tonnen Material nimmt er mit. Betonschwellen, riesige Brocken, Dutzende Stahlbohlen. Erst ein 40-Tonner-Sattelauflieger als Hauptbarriere für die Betonbrocken, hilft. "Das war ein echter Kampf gegen das Wasser, gegen die Zeit. Die Leute waren klasse, die technische Umsetzung optimal, die Stimmung gut. Das vergisst man nicht. Viele haben ihre persönlichen Interessen zurückgesetzt, obwohl sie genug eigene Sorgen hatten", sagt Gabriel, der vor allem "die sehr kooperative Haltung aller beteiligten Partner an der Baustelle" hervorhebt.
Aus seiner Sicht, sagt er, sind von Land und Landkreis die richtigen Schlüsse gezogen worden, "wie man künftig mit einer solchen Naturkatastrophe, die immer wieder eintreten kann", umgeht. "Es ist ein sehr gutes Hochwasserschutzkonzept erarbeitet worden, das schon zu großen Teilen umgesetzt ist. Man darf das alles nicht vergessen und muss auch aktuell bleiben", stellt er fest. Denn mit der Aktualität hat er seine eigenen Erfahrungen gemacht. "Unsere Unternehmen haben gearbeitet. Der Chemiepark war zu keiner Zeit gefährdet, das belegt das Höhenprofil eindeutig", erklärt der Geschäftsführer. "Der Pegel des Muldewehrs Greppin war der höchste Wasserstand. Der war niedriger als das Geländeprofil des Chemieparks." Verwirrung sei einzig dadurch entstanden, weil in den Karten der Behörden nicht die Geländeaufschüttung von Bayer registriert war. "Bayer hat aus genau diesem Grund vor dem Bau der Betriebe Boden aufschütten lassen. Die Karten waren schlicht und einfach alt."
Schildern auch Sie ihre Erlebnisse während der Flut.