„Meilenstein für die Region“ Grüne Chemikalien aus Bitterfeld: Verbio will Nobelpreis-Technologie in neuer Anlage umsetzen
Der Biokraftstoff-Hersteller Verbio will in Bitterfeld ab 2026 im großen Stil nachhaltige Chemikalien produzieren. Dafür soll eine Nobelpreis-Technologie zum Einsatz kommen. Nun war für das 100-Millionen-Euro-Projekt Grundsteinlegung im Chemiepark.
Bitterfeld/MZ. - Dort, wo vor über 20 Jahren alles begann, wird nun für die Zukunft gebaut: Der Biokraftstoff-Hersteller Verbio mit Hauptsitz in Zörbig hat angekündigt, an seinem Standort im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen ab 2026 im großen Stil nachhaltige Chemikalien produzieren zu wollen.
Am Dienstag war Spatenstich für die weltweit erste Ethenolyse-Anlage, die das Unternehmen 2025 in Betrieb nehmen und in der ab 2026 bis zu 60.000 Tonnen nachhaltiger Chemikalien produziert werden sollen. Die Firma investiert mit Unterstützung vom Land Sachsen-Anhalt 100 Millionen Euro, entstehen sollen zudem 50 neue Arbeitsplätze.
Von Null auf Hundert
„Bitterfeld ist unser ältester Standort“, betont Verbios Technischer Direktor Theodor Niesmann. „Hier wurde Verbio im Jahr 2000 aus der Taufe gehoben. Seinerzeit haben wir hier zu fünft begonnen, seither haben wir uns zu einem internationalen Konzern weiterentwickelt.“ Standorte in Europa, Asien und Nordamerika kamen dazu, inzwischen beschäftigt das börsennotierte Unternehmen 1.300 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von knapp zwei Milliarden Euro im letzten Geschäftsjahr.
Verbio wandelt Biomasse in Energie um. „Alleine in den beiden Biodieselanlagen der Verbio wird die Hälfte des Rapses verarbeitet, der in den neuen Bundesländern geerntet wird.“ Doch das Unternehmen denkt weiter, will seinen Beitrag leisten. Und dabei natürlich viel Geld verdienen.
„Mittlerweile ist jedem klar, dass der Klimawandel eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist. Es gilt, CO2-Emissionen zu vermeiden und unsere Industrie zu dekarbonisieren“, führt Niesmann aus. In der chemischen Industrie sei das jedoch schwieriger als in anderen Bereichen, basiert sie doch zu einem Großteil auf fossilen Rohstoffen. Verbio will nun damit beginnen, eine nachhaltige Lösung für dieses Problem zu liefern.
Das Schwert, das den gordischen Knoten durchtrennen soll, nennt sich Ethenolyse. Bei Verbio aus Rapsöl produzierter Biodiesel soll in der neuen Anlage, für die gestern der Spatenstich erfolgte, umgewandelt werden. „Grüne Moleküle“ nennt der Biokraftstoff-Hersteller die biobasierten Spezialchemikalien Methyl 9-decenoat und 1-Decen, die ab 2026 in einer Größenordnung von 60.000 Tonnen pro Jahr produziert werden sollen. Die beiden Stoffe kommen in einer Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz, etwa in Reinigungsmitteln, als Kunststoffe oder Schmierstoffe für Motoren.
Das Verfahren, das dann angewandt wird, basiert auf einer Technologie, für die 2005 der Nobelpreis für Chemie verliehen wurde. Forscher und Investoren versuchten lange erfolglos, den Prozess zu skalieren und wirtschaftlich zu machen. Das sei Verbio nun gelungen, freut sich Niesmann.
Die Region soll profitieren
Das geht auch Sven Schulze (CDU), Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister, so. „Wir zeigen heute, dass wir in der Lage sind, zu wissen, welche Herausforderungen die Zukunft bietet und das entsprechend umsetzen können“, erklärt er die 15 Millionen Euro starke Investition des Landes in das Projekt. „Das sind circa zehn Prozent der gesamten Mittel, die ich pro Jahr in der Wirtschaftsförderung zur Verfügung habe.“ Das sei keine kleine Investition, sondern ein „Meilenstein für die Region“.
Die verdient am Erfolg von Verbio. Nicht nur in Zörbig, das sich durch die Steuereinnahmen mehr leisten kann als andere Kommunen. Auch Bitterfeld-Wolfen soll am Erfolg profitieren, wie Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU) erklärt. „Wir als Stadt wollen dazu auch weiterhin unseren Beitrag leisten, dass Sie erfolgreich an diesem Standort tätig sein können. Ich betone das ganz bewusst, weil Ihr Erfolg auch immer unser Erfolg ist“, so der OB. Die Zukunft wird zeigen, ob der Plan aufgeht.