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Filmaufnahmen in Bad Düben Filmaufnahmen in Bad Düben: Strammstehen nach Drehbuch

Von Irina Steinmann 04.08.2004, 15:52

Bad Düben/MZ. - Der Rentner ist von Schwemsal herübergekommen, drei Kilometer, keine Entfernung mit dem Fahrrad. Der 66-Jährige beobachtet seinen früheren Arbeitsplatz. 18 Jahre war er hier beschäftigt, erst bei der Nationalen Volksarmee, dann bei der Bundeswehr. "Das war eine sehr ruhige Kaserne", kommentiert der Ex-Zivilbeschäftigte die Vergangenheit, die nun unverhofft fröhliche Urständ' feiern soll. Im Kino.

Seit Wochen gehört das aufgelassene Militär-Objekt in Bad Düben den Filmleuten. Schlicht "NVA" heißt der Streifen, von dessen Inhalt noch wenig bekannt ist. Immerhin, man weiß, dass es sich um eine "romantische Komödie" handeln soll, gewürzt mit schwarzem Humor, und dass man es, das liegt in der Natur der Sache, mit einem "Uniform-Film", einem Monumental-Film gar zu tun haben wird.

Monumental, in der Tat. An die 400 Menschen haben sich an diesem lauen Tag Ende Juli inmitten der Block-Architektur aufgestellt. "Vereidigung im Herbst" heißt die Szene, die heute gedreht werden soll. 210 Soldaten, 130 Angehörige, 15 Jungpioniere samt roten Nelken und eine angemessene Anzahl Offiziere mit extra-dicken Mützen auf dem Kopf sind auf dem Platz. "Niemand darf sich kratzen", lautet der letzte Befehl aus der Realität. Die Soldaten, Komparsen allesamt wie auch die umstehenden Mütter, Väter, Bräute, nehmen Haltung an.

"Ich schwöre...", echot der Chor die Worte aus dem Laut-Sprecher. Der Wind treibt ein rosa Briefchen (Romantik!) über die Stahlhelme hinweg. Tatsächlich ist es die Windmaschine, beim Film wird nichts dem Zufall überlassen und deshalb hängt das gute Stück auch an einer Angel. Aber es ist wie verhext. Das Papier wirbelt nicht so recht nach Drehbuch. Wieder und wieder muss geschworen werden, "an der Seite der Sowjetarmee". Beim dritten Mal kommen die Rekruten immerhin bis zur "Erringung des Sieges". Alles normal, winkt Herstellungsleiterin Sonja Schmidt ab. "Wir sind gut in der Zeit", sagt sie nach gut anderthalb Stunden Wieder- und Wiederholen. Im Film dauert die Szene zwei Minuten.

Dass Dreharbeiten jede Menge Disziplin, Geduld und Konzentration erfordern - Michael Buchs weiß das längst. Der 44-jährige Rettungsassistent aus Bad Dürrenberg ist schließlich nicht zum ersten Mal beim Film. Er war schon Komparse für "Soko Leipzig" und die Weißkittel-Serie "In aller Freundschaft". Jetzt hat er seinen "Sohn" zum Militärdienst verabschiedet. "Ich bin ein stolzer Vater", spielt Buchs seine Rolle auch in der Pause weiter.

Detlef und Gabriele Kolbe aus Radis haben sogar ihren echten Sohn in die Hände des Militärs gegeben. Nun sitzen sie in altmodischen Klamotten - man schreibt schließlich die 80er Jahre - auf einer Bank in der Sonne und warten auf den nächsten Einsatzbefehl. "Anstrengend" - Herrn Kolbes Kommentar zum ersten Drehtag fällt denkbar knapp aus. Schließlich proben sie jetzt schon seit dem frühen Morgen. "Aber man muss das mal mitgemacht haben", findet der Heizungsmonteur. 50 Euro bekommt so ein Komparse pro Tag, egal, ob der Dreh zwei Stunden dauert oder bis zum Abend. Heute wird es spät.

Wegen des Geldes macht man das wohl nicht. Es sei vielmehr ein "schönes Gefühl, diese Zeit noch einmal zu erleben". Der das sagt, befindet sich auf vertrautem Terrain. Michael Pöhl war von 1983 bis 1987 Stabsfeldwebel in der Heidekaserne (ja, hat sein ziviler Kollege Küster am Tor gesagt, "Heidekaserne" hieß sie, schlicht und beschaulich, nicht was die Filmleute daraus gemacht haben: "Fidel-Castro-Kaserne"). Der Film hat den Bad Dübener, der alltags den Schau-Bunker Kossa mit am Leben hält, zum "Oberleutnant" befördert.

Wie schön diese Zeit war, davon möchte sich sein Untergebener Steffen Schmidt erst noch ein Bild machen. "Interesse an der DDR" hat den 26-Jährigen aus Vockerode zum Komparsen werden lassen. Es sei doch so vieles kaputt gemacht worden nach der Wende, sagt der junge Mann mit dem Zöpfchen, das er sorgfältig unter dem Stahlhelm zusammengekringelt hat. 1989, da war er ein Kind, sein Vater kann ihm viel erzählen von Schikanen in der NVA. Schmidt sucht Klarheit über die DDR. In einem Spielfilm? Der angehende Student der Sozialpädagogik vertraut seinen "Ausbildern" am Set. Die hätten gesagt, nein, Rasenschneiden mit der Nagelschere und so was, das habe es nicht gegeben. Nicht in der NVA.

Aber jetzt muss Schmidt wieder strammstehen gehen. "Ich schwöre..." Die Angehörigen schwitzen in Wintermänteln. Aus einem rostigen Panzer tropft Öl. Es ist echt.