Eingangstür oftmals Hemmschwelle
BITTERFELD/MZ. - An der Empfangstheke wird sie vom Lächeln eines Mädchens begrüßt. "Die Chefin kommt gleich, noch fünf Minuten." Die Frau mit dem grauen Oberteil nickt und geht an der Empfangstheke vorbei, geradeaus weiter zu den Umkleidmöglichkeiten.
Wieder öffnet sich die Glastür. Es ist Christiane Krüger. Die Chefin ist in ihrem Studio, dem "LadysClub Fitness" in Bitterfeld eingetroffen - wie der Name schon verrät: ausschließlich für die Frau. Die Stufen scheinen ihr nichts ausgemacht zu haben. Das freundliche Mädchen am Empfang ist ihre "Azubine".
Ein Blick aus dem Fenster offenbart die günstige Lage des Studios. Gegenüber befindet sich ein Baumarkt. "Ich habe mich bewusst dafür entschieden, das Fitness-Studio im Bitz zu eröffnen - wegen der Parkplätze vor allem. Ebenso praktisch finden unsere Besucher die umliegenden Geschäfte."
Überall Grünpflanzen im Studio. Es wimmelt vor Palmen, natürlich sind alle echt. Nur an einem Holzbalken windet sich eine künstliche Sonnenblumenranke aus Plastik. Die Wände erstrahlen in sonnigem Gelb, das gibt dem Raum Wärme und Charakter.
Zwei Frauen haben längst damit begonnen, auf den Laufbändern Kilometer um Kilometer zurückzulegen. Die zunehmende Anstrengung lassen sie sich nicht anmerken. Ganz nach dem Studiomotto "Jammern hilft nicht".
Der erste Rundgang durch den hellen Trainingsraum verrät, weshalb die Geräusche von den Laufbändern nicht zu hören sind - sie stehen hinter Glas. Die Lärmschutzwand ist die Idee der Chefin. "Mich hat dieses nervige Geräusch in anderen Fitness-Studios immer gestört."
Gerade kommt eine dunkelhaarige Frau in einem blauen T-Shirt vom Umkleiden. Schlank ist sie. Sportlich. Die Chefin stellt sie vor: "Das ist unsere Vorzeigekundin. Ihr Gewicht lag mal bei 140 Kilogramm. Bis heute hat sie mehr als 65 Kilo verloren. Erfolgreiche Abnehmgeschichten wie diese wollen unsere Kundinnen hören", erklärt Christiane Krüger. Dabei vergehen ein bis drei Jahre von der ersten Überlegung, mal mehr Sport zu treiben, bis zum eigentlichen Betreten eines Fitness-Studios. "Die Tür fungiert als Hemmschwelle. Ist die Kundin erstmal im Studio, wird alles anders. Die Hemmung ist verflogen. Bei uns soll diese Angst aufgrund des speziellen Klientels schon von vornherein wegfallen." Denn nach ihrer Meinung sprechen Frauenfitness-Studios größtenteils Einsteiger an, die intensive Betreuung suchen und nichts falsch machen wollen. "Wir vermitteln ihnen Basiswissen und schaffen eine körperliche Grundfitness", sagt sie.
Was aber, wenn aus den Anfängern erfahrene Sportler geworden sind? "Nach einigen Jahren wechselt ein Großteil der Frauen in gemischte Studios, da diese preiswerter sind." Die "Vorzeigekundin" ist aber dem "LadysClub Fitness" treu geblieben.
Vor zehn Jahren kam der Chefin die Idee vom eigenen Fitness-Studio. "Ich habe selbst jahrelange Erfahrung in Studios gesammelt, jedoch immer nur in gemischten." Nur ein einziges Mal traute sie sich in ein Frauenstudio. Um es gleich darauf wieder entsetzt zu verlassen. "Ich fand es ganz schrecklich da. Ich wollte bloß kein Studio, in dem einen jeder gleich ungefragt duzt. Seitdem hatte ich die Idee, es besser machen zu wollen."
Als diplomierte Sportwissenschaftlerin reizte sie der Anspruch eines Frauenfitness-Studios. Als Christiane Krüger mit konkreten Planungen begann, bekam sie nicht viel Unterstützung. "Das schaffst du nicht", gibt sie die Meinung von Freunden und Familie wider. Aber sie versuchte es dennoch, und rückblickend erwies sich ihr Wagemut als richtig. "Manche Kundinnen duze ich zwar auch, aber nur, wenn sie das auch wirklich wollen."
Den Ausdauergeräten gegenüber hängt ein Flachbildschirm in Leinwandgröße - angeschaltet ist er nicht. "Der lief schon lange nicht mehr. Mittlerweile habe ich meine Kundschaft gut erzogen. Die wollen gar nicht fernsehen", meint sie. An einer anderen Wand reiht sich Auszeichnung an Diplom, an Urkunde, an Zertifikat und so weiter. "Alles Qualitätsnachweise unserer Mitarbeiter", sagt sie. "Anfangs habe ich alles allein gemacht und 23 Kurse pro Woche gegeben. Das wurde auf Dauer einfach zu viel."
Zur Zeit hat die Chefin zehn Angestellte. Darunter zwei Männer. Das Durchschnittsalter der Kundinnen liege bei 48 Jahren. "Wir haben offiziell 600 Mitglieder. Einige kommen aber nie", schränkt sie ein. "Im Schnitt sind es 80 bis 100 Besucher täglich." Ältere verbringen auch mal den ganzen Tag hier. "Klar, für die ist das Studio eben mehr als nur der Sport, einfach mal wieder unter Leute kommen, Gespräche führen", ist sich die Chefin sicher und meint, dass sich auch die anfänglichen Bedenken männlichen Personals gegenüber als unbegründet erwiesen haben. "Vor allem Kurse bei unserem Fitnesstrainer Holger sind extrem beliebt."
Die Chefin ist im fliederfarbenen Massageraum angelangt. "Die Farbe haben wir schon vor Jahren ausgesucht. Anfangs gab es jede Menge Proteste, dann kam Lila in Mode. Heute beschwert sich niemand mehr."
Einmal jährlich findet im Studio ein Männertag statt, nur dann dürfen die Partner ihre Frauen in die heiligen Hallen begleiten. "Aber da gibt es auch die eine Kundin, die ihrem Mann den Gang ins Fitness-Studio schon jahrelang verheimlicht." Geschichten wie diese gehören für Frau Krüger zum Alltag.
Die Zeiten des großen Runs scheinen in Bitterfeld aber vorbei zu sein, denn die Mitgliederzahlen sind rückläufig. Wie sich die wirtschaftliche Krise auswirken wird, bleibt abzuwarten. Frau Krüger rechnet mit einem deutlichen Einbruch am Jahresende. Im Ruheraum wird die Idylle, bestehend aus einer Wand in entspanntem Hellgrün mit aufgemaltem Urwald von lauter Musik getrübt. "Die kommt vom Kurs nebenan. Damit hatte ich anfangs meine Bedenken, die Frauen stört das aber gar nicht." Ein kurzer Blick in den Nachbarraum verrät warum. Zur frühen Stunde schwitzt eine kleine Gruppe älterer Frauen beim Hanteltraining. Natürlich bei Holger.