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Ehrenhain Ehrenhain bei Zscherndorf: 191 sowjetische Frauen und Männer haben hier ihre letzte Ruhestätte

Von Sylvia Czajka 08.11.2020, 13:00
Der sowjetische Ehrenhain liegt versteckt in einem Wäldchen.
Der sowjetische Ehrenhain liegt versteckt in einem Wäldchen. André Kehrer

Ramsin/Zscherndorf - Sechs Menschen wurden einst an Galgen an der Bitterfelder Säurekreuzung erhängt. Wer das wohl weiß? „Viele“, ist sich Bernhard Hübner sicher. Doch, wo die Toten beerdigt wurden? Davon hat kaum jemand Kenntnis. Der Wolfener hat die Geschichte der sechs Toten lebendig gehalten und sie bis zur letzten Ruhestätte begleitet.

Dieser Ort ist längst vergessen, Gras darüber gewachsen. Kein Hinweisschild zeigt den Weg. Zwischen Zscherndorf und Bitterfeld, auf Ramsiner Gemarkung, am östlichen Ende des Schwarzen Weges, befindet sich der „Sowjetische Ehrenhain“ mit 191 Grabstätten für Kriegsgefangene sowie sowjetische Frauen und Männer, die während des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland verschleppt, unter anderem im Lager „Marie“ in Bitterfeld konzentriert und für Zwangsarbeit eingesetzt wurden. Hier wurden auch jene sechs Menschen beerdigt, die am 12. Juli 1944 an der Säurekreuzung am Galgen zu Tode kamen.

Ehemalige Braunkohlentageabbaufläche wurde 1942 zur Begräbnisstätte

Auf dem Gelände sind 52 Militärangehörige, 115 Fremdarbeiter, 22 andere Bürger und zwei unbekannte Personen beerdigt, geht aus den Unterlagen, die dem Bitterfelder Kreismuseum vorliegen, hervor. Anfang des Jahres 1942 wurde in etwa einem Kilometer Entfernung von Zscherndorf durch die „Deutsche Grube AG“ eine ehemalige Braunkohlentageabbaufläche als Begräbnisstätte zur Verfügung gestellt, teilt Museumsmitarbeiter Steven Pick mit. Verstorbene russische Arbeiter aus verschiedenen umliegenden Gemeinden wurden hier beerdigt.

„Die Belegung des Anfangs diesen Jahres hier eingerichteten Begräbnisplatzes für Sowjetrussen geht in einer nicht vorher angenommenen Schnelligkeit voran“, heißt es in den Zeitdokumenten aus dem Jahr 1942. Auch nach Beendigung des 2. Weltkrieges wurde der Friedhof als Begräbnisplatz für sowjetische Bürger genutzt.

Zu den Namenstafeln innerhalb des Ehrenhains führt heute ein gepflasterter mit Papeln gesäumter Weg. Links und rechts davon befinden sich Grasflächen. Die Tafeln sind an einem gemauerten Sockel befestigt. Im Rasen sind die Gräber heute nicht mehr erkennbar.

Für Ortsunkundige ist dieser Ehrenhain nicht so leicht zu finden

Über der größten Tafel befindet sich eine Inschrift. Sie besagt, dass ewiger Ruhm den Kämpfern für die Freiheit und Unabhängigkeit der Heimat, der UdSSR, bei der Befreiung vom Faschismus gebührt. Für Ortsunkundige ist dieser Ehrenhain nicht so leicht zu finden. Die Verbindung ist der „Schwarze Weg“. Der führt die Orte Zscherndorf und Bitterfeld zusammen. Steven Pick nutzt gern den Weg als Abkürzung. Ab und an biegt er zum Ehrenhain ab, schaut nach dem Rechten.

Schade, das kaum jemand weiß, welch’ mahnender Ort sich hier befindet, bedauert Pick. Die Aufstellung eines Hinweisschildes, das auf die Gedenkstätte verweist, wäre ein gutes Zeichen, findet er. Und nicht nur Pick. Auch die Stadt Sandersdorf-Brehna hat sich Gedanken gemacht und die Idee bereits in ihre Planungen aufgenommen, teilt Pressesprecherin Stefanie Rückauf auf MZ-Anfrage mit.

Sandersdorf-Brehna erhält für die Pflege jährlich 6.500 Euro Fördermittel vom Land

Sandersdorf-Brehna erhält übrigens jährlich 6.500 Euro Fördermittel vom Land, die zur Pflege der Kriegsgräber und Denkmäler im gesamten Stadtgebiet eingesetzt werden.

Das Mahnmal selbst im Ehrenhain habe Ende 2019 einen neuen Hintergrund bekommen und im Frühjahr 2020 wurden die Stufen restauriert, informiert Rückauf weiter. Leider respektieren Randalierer auch hier nicht die Totenruhe. Auf dem Gelände entfachten Anfang des Jahres Vandalen ein Lagerfeuer und zerstörten teilweise die Umfriedung der Gedenkstätte, heißt es aus der Stadtverwaltung. (mz)

Karte aus dem Jahr 1943: Das Kreuz zeigt etwa die Lage des Ehrenhains.
Karte aus dem Jahr 1943: Das Kreuz zeigt etwa die Lage des Ehrenhains.
André Kehrer