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Echtes Handwerk Echtes Handwerk: Schuster Eckhard Rohr hält in Wolfen Familientradition am Laufen

Von Ulf Rostalsky 08.12.2019, 13:00
Schuster Eckhard Rohr ist eine Institution in Wolfen. Er öffnet seine Werkstatt gern für Neugierige.
Schuster Eckhard Rohr ist eine Institution in Wolfen. Er öffnet seine Werkstatt gern für Neugierige. André Kehrer

Wolfen - Eckhard Rohr und Schuhe gehören zusammen. So ungewöhnlich ist das nicht. Schließlich ist wirklich jeder auf Schusters Rappen unterwegs. Rohr allerdings geht weiter. Tag für Tag widmet er sich Schuhen. Schneidet, näht, klebt, hämmert.

„Und putzt“, sagt der 63-Jährige. Rohr ist Schuster, hat seit Mitte der Achtziger den Meisterbrief in der Tasche und hält in der Werkstatt in der Thalheimer Straße in Wolfen die Familientradition am Leben. Rohrs sind die Schuster in der Fuhnestadt. Und Eckhard Rohr ist mit seinen Geschwistern in der kleinen Werkstatt groß geworden.

Um das Putzen der Schuhe macht er allerdings kein großes Aufheben. Es gibt kein besonderes Rezept für tollen Glanz oder Langlebigkeit des Leders. Und am Nikolaustag auch keinen besonders großen Schuh, der mit süßen Gaben gefüllt werden soll. Stattdessen präsentiert der Schuster ein ganz kleines Exemplar. Fast schon eine Miniatur. Auf jeden Fall ein besonderes Stück. „Das ist einfach der Hammer“, schwärmt der Handwerker.

Auf ein Paar 142 Jahre alte Kinderschuhe ist Eckhard Rohr besonders stolz

Es ist ein Paar Kinderschuhe, das begeistert. Schwarz ist das Leder, braun die Sohle. Alles wurde aus echtem Leder gefertigt und von Hand genäht. „Ein Meisterstück“, ist Eckhard Rohr überzeugt und zieht die wirklich große Trumpfkarte aus dem Ärmel. Die Kinderschuhe haben genau 142 Jahre auf dem Buckel. 1877 wurden die deckungsgleichen Stücke genäht. Rechts und links gibt es nicht.

„Normal bei Kleinkinderschuhen. Damals und heute“, sagt der Schuster, der die Rarität einst geschenkt bekam. So wie ein weiteres Paar aus den 1940ern. Er hebt beide auf und hat der bunten Sammlung auch Stücke aus eigener Fertigung hinzugefügt. Die Schnabelschuhe mit Holzsohle zum Beispiel, die in der Gesellenzeit entstanden. „Die habe ich gern angezogen. Damit bist du aufgefallen.“

Die Bürste saust über das Leder. Ein paar Mal hin und her, dann glänzt alles. Geübt ist geübt. Glanz kommt immer gut an. Auch und gerade am Nikolaustag. Aber Eckhard Rohr wäre nicht Schuster aus Leidenschaft, würde er nicht von seinem Handwerk schwärmen. Er redet nicht vom großen Geld. „Denn Schuster waren nie reiche Leute. Damals nicht und heute nicht.“ Aber sie haben dafür gesorgt, dass die Leute in passenden Schuhen steckten und auf festen Sohlen unterwegs waren. „Ja, früher haben die Schuster die Schuhe selbst hergestellt“, erzählt der Wolfener. „Und sie haben immer repariert, weil die meisten Leute so schnell keinen Schuh wegwerfen wollten.“

Die Massenproduktion hat die Preise für neues Schuhwerk purzeln lassen

Heute sieht die Sache etwas anders aus. Die Massenproduktion hat die Preise für neues Schuhwerk purzeln lassen. Es lohnt mitunter kaum noch, einen defekten Reißverschluss zu tauschen oder einen Absatz zu erneuern. „Aber wir machen das noch“, erzählt Eckhard Rohr über sein Tagwerk und die Arbeit seines Gesellen.

Es gibt ordentlich zu tun. Das wird beim Blick in die Werkstatt deutlich. Leder, Faden, Stoffe. Dazu Absätze, Schnürsenkel und Reißverschlüsse. Alles ist vorhanden, braucht aber reichlich handwerkliche Erfahrung, um passgenau zu landen, wo es landen soll. Das zählte schon vor 142 Jahren. „Was für ein schönes Stück.“ Noch einmal nimmt der Meister das alte Paar Kinderschuhe in die Hand und ist angetan von der Handwerkskunst. (mz)

Ein Schatz aus Leder: Der Kinderschuh stammt aus dem Jahr 1877.
Ein Schatz aus Leder: Der Kinderschuh stammt aus dem Jahr 1877.
André Kehrer
In der kleinen Werkstatt hat der Meister immer viel zu tun.
In der kleinen Werkstatt hat der Meister immer viel zu tun.
André Kehrer
Winzig kleine Schuhe
Winzig kleine Schuhe
André Kehrer