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Die letzte Tour in Herrgottsfrühe

Von BÄRBEL HELBIG 30.12.2008, 16:15

MULDENSTEIN/MZ. - "Ich habe das sehr, sehr gern gemacht", sagt die 73-Jährige. Das Aufstehen um 3.15 Uhr hat ihr nie etwas ausgemacht. "Sonntags habe ich mich immer schon gefreut, dass es am Montag wieder losgeht." Und das bei jedem Wetter. Nur einen Feind hat es nach ihren Worten gegeben: Glatteis. Gefroren habe sie jedenfalls nie, und Angst kenne sie auch nicht. Selbst Begegnungen mit Wildschweinen konnten sie nicht aus dem Takt bringen. "Es ist ja auch nie etwas passiert", stellt sie fest. Renate Hippe kommt regelrecht ins Schwärmen, wenn sie von anderen Erlebnisse berichtet - von der Vogelschar, die sie im Sommer am Steinberg gehört hat, oder von den Eulenrufen im Winter.

Jetzt wird sie ihre Tierbeobachtungen vor allem im eigenen Garten fortsetzen. Und wie immer jeden Tag mit "Sanny", dem quicklebendigen Jack Russell, auf den Hundeplatz gehen. Gemeinsam mit ihrem vor zwei Jahren verstorbenen Mann hat sie 45 Jahre lang Foxterrier gezüchtet. Und mit ihm gemeinsam auch die MZ ausgetragen, nachdem sie 1991 beim Fleischer gehört hatte, dass in Muldenstein Zusteller gesucht werden. Da war die gelernte Blechschlosserin, die 25 Jahre in der Wareneingangskontrolle der Rohrwerke gearbeitet hat, gerade in Rente gegangen. Für den Ruhestand fühlte sie sich damals noch zu jung und übernahm kurzerhand den Nebenjob.

Nun setzt die aus Pouch stammende Rentnerin einen Punkt. Ob sie immer noch um 3.15 Uhr wach wird, weiß sie nicht. Sie hat sich für den Winter erst einmal vorgenommen, ein paar Stunden länger zu schlafen. Aber dann, das weiß sie genau, werde sie wie immer den ganzen Tag zu tun haben. Mit Garten- und Hausarbeit, mit dem Ausprobieren neuer Rezepte, mit gelegentlicher Nachbarschaftshilfe, mit Kosmetik und Fußpflege, mit den Fahrten zum Schwimmen und zur Rückengymnastik nach Gräfenhainichen. "Da nehme ich meine Kumpeline und andere Frauen mit dem Auto mit, dann gehen wir auch gleich noch mit einkaufen."

Mit ihrem kleinen Suzuki will sie auf jeden Fall unterwegs sein, solange es irgendwie geht. "Früher bin ich Motorrad mit Seitenwagen gefahren", berichtet Renate Hippe und freut sich sehr darüber, dass ihre Enkeltochter etwas von ihr geerbt hat: "Sie liebt Tiere und reitet wie der Teufel."