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Das Ende einer Ära Das Ende einer Ära: Post-Filiale in der Bitterfelder Lindenstraße muss schließen

Von Frank Czerwonn 30.03.2019, 08:00
Die Tage der Post und der Postbank sind nach fast 118 Jahren in diesem Haus gezählt. Damit endet eine Tradition in der Lindenstraße.
Die Tage der Post und der Postbank sind nach fast 118 Jahren in diesem Haus gezählt. Damit endet eine Tradition in der Lindenstraße. André Kehrer

Bitterfeld - Jahrzehntelang haben die Bitterfelder Bürger in der Hauptpost in der Lindenstraße Pakete verschickt, Telegramme aufgegeben, Briefmarken gekauft, Postsendungen abgeholt, Einschreiben abgesendet und in den letzten Jahren auch Finanzdienstleitungen der Postbank genutzt.

Doch damit ist nun Schluss. Der 1901 als „Kaiserliches Postamt“ eingeweihte eindrucksvolle rote Klinkerbau mit dem Türmchen an der Ecke verliert alle seine Post-Funktionen. Die Postbank als aktueller Mieter gibt den Standort auf. Damit endet nach knapp 118 Jahren eine Ära.

Bereits im Jahr 2008 war das Gebäude Teil des rund 1 300 Objekte aus ganz Deutschland umfassenden Immobilienpakets, das die Deutsche Post an die Luxemburger Firma Lorac Investment Management verkaufte. Viele dieser Immobilien mietete die Post danach jedoch wieder an und nutzte sie für ihre Dienstleistungen.

Mieter des alten Bitterfelder Postamts war in den vergangenen Jahren die Postbank. Sie bot zudem für die Post deren Dienstleistungen wie Paketaufgabe, Briefversand oder Markenverkauf an. Doch zum 28. Mai wird dieses Postbank-Finanzcenter geschlossen. Das bestätigt Postbank-Pressesprecher Hartmut Schlegel.

Am 28. Mai eröffnet eine neue Partnerfiliale in der Walther-Rathenau-Straße 56

„Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht“, versichert er. Doch beobachte man aufmerksam, wie sich durch die Digitalisierung der Markt und das Kundenverhalten ändern. Zudem überprüfe man kontinuierlich das Filialnetz hinsichtlich seiner Wirtschaftlichkeit und Optimierungsmöglichkeiten.

„Auch wenn es auf den ersten Blick anders scheint, rechnet sich eine Filiale nicht mehr überall. Dies ist leider auch in Bitterfeld der Fall“, so Schlegel.

Die Post will aber dafür sorgen, dass es für die hiesigen Kunden trotz der überraschenden Schließung künftig nicht zu einer Verschlechterung des Services kommt. Deshalb wird die Deutsche Post selber am 28. Mai eine neue Partnerfiliale in der Walther-Rathenau-Straße 56 eröffnen. „Diese Partnerfiliale im dann neu eröffneten Elektronic-Store ersetzt nahtlos den bisherigen Standort im alten Postamt und bietet den Kunden im na-

hen Umfeld weiterhin dieselben Dienstleistungen der Deutschen Post und Postbank an“, teilt Post-Pressesprecherin Anke Blenn mit.

Das Haus war einst vom Dach bis zum Keller von der Post belegt

Hartmut Schlegel von der Postbank bestätigt das: „Der Postbank ist es wichtig, dass die Bargeldversorgung der Kunden sichergestellt ist. Wir freuen uns deshalb, dass die neue Partnerfiliale der Deutschen Post in Bitterfeld auch Finanzdienstleistungen anbieten wird.“ Detailliertere Informationen soll es nächste Woche geben. Die neue Filiale wird laut Blenn eine sogenannte Zwei-Schalter-Filiale und damit in etwa so besetzt sein, wie zuletzt das räumlich größere Postbank-Center in der Lindenstraße. Denn auch dort waren im Normalfall zwei Kundenschalter besetzt.

Dabei war das Haus einst vom Dach bis zum Keller von der Post belegt. Es bot neben den öffentlichen Bereichen wie Schalterhalle und Paketannahme auch Platz für die Postverwaltung, das Fern- und Telegrafenamt, Maschinenräume, Wohnungen für Postmitarbeiter oder Garagen (siehe „Schmuckstück im Wandel ...“).

Zukunft des Gebäudes ist noch ungewiss

Kein Wunder also, dass sich viele Einwohner nun fragen, wie es mit dem Gebäude, das zu den schönsten und markantesten der ganzen Lindenstraße gehört, nun weitergeht. Eine Anfrage der MZ bei der Firma Lorac Investment Management, hinter der der US-Finanzinvestor Lone Star Real Estate Fonds aus Dallas steht, blieb bislang unbeantwortet.

Es gibt aber Beispiele, wo Lorac frühere Post-Immobilien wieder zum Verkauf angeboten hat. Ob das auch in Bitterfeld geplant wird, ist unklar. Auch zu möglichen neuen Nutzungen gibt es noch keine Informationen. (mz)

Der Plan für ein neues Postgebäude entstand laut Steven Pick vom Kreismuseum Bitterfeld im Dezember 1898. Keine drei Jahre später, am 29. September 1901, wurde das „Kaiserliche Postamt“ eröffnet. Architekt war Postbaurat Caltner. Die Postverwaltung befand sich im Erdgeschoss, in den beiden Etagen darüber lagen Wohnungen für den Postdirektor und einen Unterbeamten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es in Deutsches Postamt umbenannt.

Postbaurat Ratzeburg gestaltete das Gebäude 1924 völlig um. Ins Erdgeschoss kamen Schalterhalle und Paketannahme. In der ersten Etage wurden Räume für die Briefsortierung, das Fern- und Telegrafenamt und die Techniker eingerichtet. Darüber lagen die Haustechnik, die Nachforschungsstelle und Maschinenräume. Umgebaut wurden auch die Nebengebäude: Aus Pferdeställen und Wagenremisen wurden Autogaragen und Fahrradschuppe für die Austräger. 1926 wurde sogar noch eine Kraftwagenhalle gebaut. 1937 begann man mit der Einrichtung von Landpoststellen - so in Greppin, Friedersdorf, Holzweißig, Muldenstein Sandersdorf und Zscherndorf.

Am 16. April 1945 schloss das Postamt, am 21. April besetzen es die Amerikaner. Am 28. September wurde eine Kommission zur Bereinigung des Amtes von Nazis berufen. Die Belegschaft war von 240 auf 111 geschrumpft. 1974 fällte man die Linden für Kurzzeitparkplätze. 2001 wurde das unter Denkmalschutz stehende Haus umgebaut. Bei einem Einbruch am 28. Dezember 2013 nahmen die Täter den Tresor mit.