Adieu, altes Haus Bitterfelds Bauermeister-Kirche ist entwidmet und verkauft - Glocken gehen nun auf letzte Reise

Bitterfeld/MZ - Christian Beck und Nick Rieser verstehen ihr Handwerk. Sie schauen, schrauben, transportieren. „Alles muss sicher sein“, meint Meister Beck. Sein Geselle nickt. Die Männer aus Kölleda haben dieser Tage die großen Bronzeglocken aus der Bauermeister-Gedächtniskirche geholt und damit für einen Schlusspunkt in der Bitterfelder Kraftwerkssiedlung samt Deutscher Grube gesorgt.
Kirche wurde vor einem Jahr entwidmet und verkauft
Die 1906 und 1922 in der Schillingschen Werkstatt in Apolda gegossenen Glocken waren das letzte kirchliche Inventar, das das Bitterfelder Gotteshaus verließ. Die Bauermeister-Kirche war vor einem Jahr entwidmet und anschließend verkauft worden. Gottesdienste hatte es hier schon seit Jahren nicht mehr gegeben.
Aber wohin mit Altar, Taufbecken, Orgel, Glocken? Einfach entsorgen kam für die Bitterfelder Gemeinde und den mittlerweile pensionierten Pfarrer Johannes Toaspern nicht in Frage. Altar, Kanzel und Co. sind mittlerweile in der evangelischen Gemeinde im weißrussischen Grodno angekommen. Und auch für die Glocken gibt es Verwendung. Sie gehen nach Rösa und sollen dem Glockenspiel zu vollem Klang verhelfen.
„Ein Glücksfall“, sagt der dortige Pfarrer Albrecht Henning und freut sich über den Neuanfang in der Heide. In Rösa hatte man vom Ende der Bauermeister-Kirche gehört und kurzerhand den Antrag an die Bitterfelder gestellt, die Glocken für das eigene Gotteshaus verwenden zu können. „Sie haben nicht gezögert und unserem Wunsch entsprochen“, blickt Henning zurück. Die Christen aus der Heide freuen sich über die Schenkung. Gleichwohl die Überlassung der Bitterfelder Glocken alles andere als ein preiswertes Unterfangen ist.
Denn Glockenbauer Beck und Geselle Rieser hatten viel zu tun. Es brauchte dutzende Arbeitsstunden, bis die 270 und 190 Kilogramm schweren Glocken vom Joch genommen, mit sehr geringem Spielraum durch das Fenster im Turm bugsiert und sicher nach unten gelassen waren. Jetzt müssen sie gereinigt werden. Auch die Joche brauchen eine Frischzellenkur. „Und die Rösaer Glocke muss noch zum Schweißen in die Lachenmayersche Werkstatt nach Nördlingen“, ergänzt Albrecht Henning.
Die beiden Bitterfelder und die Rösaer Glocke sollen möglichst im Spätherbst im sanierten Glockenstuhl vor der Auferstehungskirche in Rösa hängen und im Zusammenspiel für einen vollen Klang sorgen. „Ich freue mich auf die neuen Glocken“, erklärt Hans-Ulrich Eckardt. Er ist seit Jahren Küster in Rösa und verfolgte den Ausbau der Bitterfelder Glocken aus nächster Nähe. Aus seinem Wunsch macht er kein Geheimnis. Die Glocken möchte er nicht mehr von Hand läuten und setzt deshalb auf ein technisch aufgerüstetes Läutwerk. „Man wird ja auch nicht jünger“, fügt der Küster hinzu.
Die Kirche bleibte als Gebäudehülle erhalten
In Bitterfeld ist der Schlusspunkt gesetzt. Die Glocken sind ausgebaut, die größere der beiden fast genau 100 Jahre nach ihrem Einbau. „Wir haben gesagt, dass wir die Kirche bis Mitte des Jahres beräumen“, erinnert Pfarrer Albrecht Henning. Die Freude darüber mischt sich auch mit Wehmut. Glockenklang wird es in der Kraftwerkssiedlung und der benachbarten Deutschen Grube nun nicht mehr zu vernehmen sein. Die Kirche als Gebäudehülle bleibt jedoch.
Unternehmer, Grubenbesitzer und Reichstagsabgeordneter Louis Bauermeister hatte die Kirche von 1905 bis 1907 als reinen Privatbau errichten lassen. Er erfüllte damit nicht zuletzt den Wunsch seiner Frau Clara, die für die Bürger der Siedlung unbedingt ein Gotteshaus in Wohnortnähe haben wollte.