Zweitältestes Gebäude verschwindet Bitterfeld verliert Renaissance-Haus - Dafür soll ein Fenster in die Vergangenheit geöffnet werden
Nach dem beschlossenen Abriss des Reuterhauses in Bitterfeld soll ein gläserner Bereich im Fußweg den Blick auf die alten Kellermauern ermöglichen. Doch was sagt die Neubi als Eigentümerin dazu?

Bitterfeld/MZ - Das Reuterhaus in der Bitterfelder Burgstraße wird schon bald verschwinden. Damit wird laut Ortsbürgermeister Joachim Gülland (Die Linke) das zweitälteste Haus in der Stadt abgerissen. Aber die Erinnerung an das 1596 erbaute Domizil des Bürgermeisters Conradus Reuter soll lebendig bleiben. Auf dem Fußweg davor soll ein sogenanntes „Archäologisches Fenster“ eingebaut werden, dass den Blick auf die zu erhaltenden Kellermauern des Reuterhauses freigibt.
Diese Idee der AfD-Fraktion des Bitterfelder Ortschaftsrates wird in dem Gremium zwar prinzipiell unterstützt. Doch sind für die anderen Fraktionen noch Fragen offen. Und auch die Neubi als Eigentümerin von Haus und Grundstück wurde nur wenige Stunden vor der Ortschaftsratssitzung von dem Vorstoß überrascht. Beschlossen wurde deshalb vorerst nichts; die AfD hat ihren Antrag zurückgezogen. Wirklichkeit werden soll der Plan dennoch.
Begehbare Glasplatte im Fußweg
„Durch das archäologische Fenster wollen wir einen Beitrag leisten, dass die Geschichte Bitterfelds nicht verloren geht“, sagte Kay-Uwe Ziegler (AfD). Es handele sich um eine stabile, begehbare Glasplatte auf dem städtischen Fußweg von vielleicht einem Quadratmeter – „je nachdem wie man es am Bauwerk anbringt“. Die Kosten für Glas und Metallgestell schätze er auf vielleicht 2.000 Euro. „Die könnten auch aus dem Haushalt kommen. Denn es ist ja etwas für unsere Stadt, die Bürger und Touristen.“
Die Gemeinsame Fraktion unterstützt das Ansinnen. „Aber wir müssen ja nicht mit dem Kopf durch die Wand“, sagte Christian Hennicke. Erst solle man doch ergründen, welche konkreten Möglichkeiten es gibt und dann die beste archäologische Variante umsetzen. „Vor der Entscheidung sollten wir uns unbedingt mit der Neubi abstimmen.“

Ähnlich argumentierte Uwe Müller (CDU). Man solle darüber im nächsten Ortschaftsrat mit der Neubi reden. Und Hendrik Rohde (Die Linke) forderte „zuvor eine Visualisierung des archäologischen Fensters“. Zwar entgegnete Henning Dornack (AfD), dass der Beschluss als Ausgangspunkt für Gespräche mit der Neubi dienen solle. Doch Joachim Gülland wies darauf hin, dass man noch gar nicht wisse, was nach dem Abriss konkret auf dem Grundstück passiere. Zudem teilte er mit, dass der Kultur- und Heimatverein auf jeden Fall eine Plakette mit dem alten Zustand des Bürgermeisterhauses beisteuern wolle.
Wohnungsgesellschaft wird überrascht
Doch wie steht die Neubi zum Plan eines archäologischen Fensters? „Ich sehe das als eine gute Idee an“, sagt Geschäftsführerin Susann Schult der MZ. Allerdings habe Ziegler sie erst am Rande der Neubi-Aufsichtsratssitzung über den Plan informiert – am Tag der Ortschaftsratssitzung. „Ich weiß bisher gar nicht, welche Erwartungen die Ideengeber haben.“
Offenbar könnte das Fenster auf dem Fußweg vor einem neuen Gebäude rein praktisch keine gute Idee sein. Denn die Kellermauern, die laut Denkmalschutz stehen bleiben sollen, befinden sich ja dann unter dem neuen Gebäude. „Vielleicht sollte man das archäologische Fenster eher in den Eingangsbereich bringen?“, so Schult. Doch über all das müsse sie erst mal mit dem Architekten reden. Vielleicht bleibe auch der Keller als Denkmal weiter bespielbar. Das hänge von dessen Tragfähigkeit und Standfestigkeit ab.
Wann beginnt der Abriss?
In einem Gutachten hatte das Landesamt für Denkmalschutz keine Erhaltungsmöglichkeiten für das seit Jahren verfallende Gebäude in der Bitterfelder Innenstadt mehr gesehen. Abriss sei der einzige Weg. Vor gut zwei Wochen hat nun die Neubi die vom Landesamt geforderte Dokumentation zum Reuterhaus beim Landesverwaltungsamt abgegeben. „Wir warten jetzt auf Rückmeldung“, sagt Schult. Erst danach könne man die Vorbereitungen des Abrisses bis zur Oberkante des Kellers angehen. Und dann auch die Neubebauung des Areals planen. „Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr Klarheit über das Neubauprojekt haben und beginnen können.“