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Bitterfeld Bitterfeld: Teamspiel auf höchstem Niveau

Von CHRISTINE KRÜGER 14.06.2011, 17:02

BITTERFELD/MZ. - Eine Zangengeburt nennt Gerd Schreiner das, was andere die Gründung eines Unternehmens nennen. Und streng genommen hat er Recht - nach allem, was der Chemiker zur Wendezeit bis zur eigenen beruflichen Selbständigkeit erlebt hat. Heute, nach 20 Jahren, steht das Unternehmen Kesla Pharma, Hersteller vor allem von Desinfektionsmitteln, im Reigen der deutschen mittelständischen Unternehmen der Branche ganz oben.

Doch der Weg bis dahin war steinig und er fing an, da war hier gerade ein paar Wochen die Wende über die Bühne gegangen. Der promovierte Chemiker, der wie seine Ehefrau und Geschäftspartnerin Birgit in der Forschung in der Färbereichemie des CKB arbeitete, hatte schon einen Blick für die wesentlichen Dinge, da rauften sich andere noch das Haar und grübelten, wer das gewaltige und gewaltig abgewirtschaftete Chemiekombinat komplett übernehmen könnte. "Ich wollte schon 1990 zusammen mit Kollegen, dass sich eine eigenständige GmbH aus Forschung und Produktion ausgründet", berichtet er. Der Antrag wurde von der Chemie AG abgeschmettert. "Keine Filetierung", hieß es. Wer Schreiner kennt, weiß, der Mann gibt so schnell nicht auf, wenn er eine Idee hat. Und die hatte er nicht nur einfach so, von der war er beseelt. 1991 gründeten er, seine Frau und zwei Partner eine GmbH, die Kesla mit Sitz in Selbitz bei Hof. Kesla wollte Produkte aus der Chemie AG vertreiben, Wofa-Hygiene- und Wofa-Desinfektionsmittel vor allem, die die Firma in Lohnproduktion herstellen ließ. Doch genau darauf hatte der Henkel-Konzern ein Auge geworfen und sich den Alleinvertrieb gesichert - letztlich, um den Markt zu bereinigen.

Der Henkel-Vertrag, blickt Birgit Schreiner zurück, verbot der Chemie AG die direkte Belieferung von Kunden in den ostdeutschen Ländern. Kesla war aber eine Firma mit Sitz in Bayern. Und die machte auch noch Offerten, die günstiger waren als die von Henkel, dem Platzhirsch. "Aus dem Stand hatten wir im Mai 1992 einen Umsatz von 50 000 Mark", so Schreiner. "Das war groß genug, um Henkel zu ärgern. Und wir hatten das stärkste Feld von Henkel, die Krankenhaushygiene, attackiert. Da haben sie keinen Spaß verstanden."

Was begann, war der Klassiker "David gegen Goliath". Das kleine Unternehmen sollte verschwinden. Doch das geht nicht so einfach mit einem wie Schreiner. Kesla schaltete das Bundeskartellamt ein, der Knebelvertrag wurde schließlich für nichtig erklärt. Doch der Kampf hinter den Kulissen tobte weiter - mit Zuckerbrot und Peitsche.

Noch als Vertriebsunternehmen erwarb Kesla von der Treuhand den alten ehemaligen Pharma-Umlösebau des CKB und übernahm die zwölf Mitarbeiter der Stammbelegschaft, die noch da waren. Und: Die junge Firma konnte unter einem wahnsinnigen Zeitdruck die strengen Auflagen nach dem Arzneimittelgesetz, die für die Produktion galten, erfüllen. Darauf sind sie alle heute noch stolz. In abgewirtschafteten Gebäuden begann die Produktion von Desinfektionsmitteln wie Wofasteril - mit amtlicher Herstellungserlaubnis. Das war im April 1993. "Geld konnten wir ja nur aus unseren erwirtschafteten Rücklagen nehmen - welche Bank gab uns, die mit Henkel im Clinch lagen, schon Kredite", so Schreiner.

Seine Frau hat ihm ein besonderes Geschenk gemacht - die Geschichte der Familie, die 20 Jahre so sehr geprägt ist von der des Unternehmens, aufgeschrieben. In einer ruhigen Stunde holen sie sich die in Erinnerung. Da ist zum Beispiel der Tag, an dem der "Vertrag zur Übernahme des Geschäftsfeldes Desinfektionsmittel und Veterinärpharmaka" endlich unterschrieben wurde. Da, meint Birgit Schreiner, sei ihnen im wahrsten Sinn ein Stein vom Herzen gefallen. Und dann, sagt ihr Mann, dann begannen die Mühen der Ebene.

Wenn er zurückblickt, tut er das heute mit Gelassenheit. Die beiden Unternehmer haben erfahren, dass der Spruch stimmt: Was dich nicht umhaut, das macht dich stark. Gerd Schreiner sagt: "Es können sich viele nicht vorstellen, dass man einer Idee nachgeht. Man hat ja in der Ferne was. Und dass es über Berge und durch Täler geht, das weiß man. Aber man muss seine Vorstellungen haben."

Nach dem Produktionsstart im April 1993 steht im September schon die erste eigene Maschine in der sanierten Halle. Nur drei Jahre dauert es, da beginnt Kesla mit Forschung und Entwicklung, ein mikrobiologisches Labor vervollständigt das Unternehmen. Und 2008 gelingt ein ganz großer Coup: Die Kesla-Forscher überraschen die Konkurrenz mit einem neuen, innovativen Verfahren, bei dem antimikrobieller und antiparasitärer Wirkstoff gleichzeitig zum Zuge kommen.

Das Unternehmen Kesla, dessen Symbol das dunkelgrüne Kastanienblatt ist - der inzwischen stattliche Baum übrigens wurde 1994 auf dem Firmenhof gepflanzt - vereint Bereiche von Forschung, Entwicklung, Produktion, Vertrieb bis hin zu einer Akademie und einer Stiftung unter seinem Dach. Nur permanente Innovation, weiß der Chef, sichert ein Überleben. Und ein kreatives Betriebsklima. Nur so gelingt es, dem allgemeinen Druck standzuhalten. "Wir spielen ein Mannschaftsspiel auf höchstem Niveau" - so nennt es der Chef.

Die Palette umfasst heute 40 Produkte. Der Umsatz hat sich in den zurückliegenden 20 Jahren verzehnfacht. Auch die Anzahl der Mitarbeiter ist gestiegen - 35 sind derzeit in der Firma beschäftigt.