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Bitterfeld Bitterfeld: Pionier im Gegenwind

Von ULF ROSTALSKY 17.02.2012, 17:31

FRIEDERSDORF/MZ. - Erholung und Entspannung an der Goitzsche. Das Wasser vor der Tür, den Blick frei geradeaus auf den nur einen Katzensprung entfernten Pegelturm. Das alles ist kein Luftschloss mehr. "Wir bauen", bestätigt Ingo Jung, Geschäftsführer der Bernsteinpromenade Betriebsgesellschaft.

Zwischen Uferweg und Wasser, Pegelturm und Flutungsbauwerk sind die Handwerker zu Gange. Bodenplatten sind gegossen, die ersten Holzsegmente geliefert. Entstehen sollen insgesamt sechs Ferienhäuser. "Für jeweils sechs bis acht Personen", wie der künftige Hausherr bestätigt. Den Zusatz, dass es dabei allein um Urlaubsdomizile und nicht Dauerwohnsitze geht, schickt Jung schnell hinterher.

Er will Ärger umgehen. Und sieht sich dennoch mit Skepsis konfrontiert. "Da reden Leute schon, wenn noch nichts passiert ist", weiß der Geschäftsmann und kontert. "Das kann ich ab." Tatsächlich übernimmt er mit seinem Bauvorhaben eine Vorreiterrolle. Es ist die erste größere Ansammlung von Gebäuden zwischen Uferweg und Wasser an der ganzen Goitzsche. "Das ist der Eisbrecher", ahnt Wolfgang Baronius. Der CDU-Mann sitzt im Bitterfeld-Wolfener Stadtrat und im Kommunalen Goitzsche-Zweckverband. Ihm sei nicht wohl bei dem, was am Pegelturm geschehe. "Da kommt doch bestimmt noch ein Zaun drum". Baronius denkt an den Goitzsche-Ufervertrag, in dem die Entwicklung der Ufer als einheitliches Ganzes festgeschrieben und vom durchgängig öffentlichen Raum die Rede ist.

Das Vorhaben Ingo Jungs muss damit allerdings nicht kollidieren. Einerseits enthält der Vertrag die Passage, dass die Unterzeichner etwa bei der Einbindung von Einzelprojekten "lernfähig bleiben wollen". Andererseits ist das Papier von den Anrainerkommunen, nicht jedoch von Grundstückseigentümern wie Jung unterschrieben. "Es ist mein Grundstück", lehnt dieser sich zurück und beruft sich bei der Gestaltung auf die hohe rechtliche Wertschätzung, die Eigentum in Deutschland eingeräumt wird sowie geltendes Baurecht.

Auch Lutz Bernhardt, Geschäftsführer der kommunalen Entwicklungs-, Betreiber- und Verwertungsgesellschaft Goitzsche (EBV), teilt die Auffassung des Investors. "Er muss sicher auch eine Abgrenzung zum öffentlichen Raum schaffen. Sonst macht doch dort niemand Urlaub." Bernhardt sieht in Jung durchaus den Eisbrecher. "Ehrlich. Ich bin froh, dass endlich einer losgelegt hat. Uns werden doch immer wieder Stolpersteine in den Weg gelegt, wenn wir Projekte und Ideen präsentieren." Für den Geschäftsführer müssen die Umfahrung der Goitzsche auf einem Uferweg, der Zugang zum Wasser sowie der Schutz privater und baulicher Anlagen nicht kollidieren. "Viel wichtiger: Wir brauchen solche Einzelprojekte, die die Goitzsche attraktiver machen und die Leute von außerhalb anlocken. Das ist der Punkt."

Rein rechtlich bewegt sich Ingo Jung auf sicherem Boden. "Wir haben seit Oktober eine Baugenehmigung", sagt er und verweist auf die vom Goitzsche-Zweckverband in Auftrag gegebene Änderung des Bebauungsplans "Pegelturm". Die war notwendig geworden, weil der Verband den bestehenden Parkplatz deutlich erweitern möchte. Angepasst wurde aber auch die Nutzungsform des Jung gehörenden Areals. "Komisch. Da hat niemand was gesagt", so Jung. Der Konter geht nicht zuletzt in Richtung Kommunalpolitiker wie Wolfgang Baronius, die im gesamten Planungsprozess mit am Tisch gesessen hatten.

"Das ganze Verfahren hat gedauert", bestätigt Muldestausee-Bürgermeisterin Petra Döring (CDU). 2010 wären die ersten Beschlüsse gefasst, dann alle notwendigen Instanzen durchlaufen worden. "Mitte 2011 war der Plan durch." Das Papier hat öffentlich ausgelegen und wurde öffentlich bekannt gemacht. Ingo Jung ist spürbar genervt von kritischen Stimmen. "Wir sorgen dafür, dass eine Dreckecke verschwindet und bieten am Ende ein Rundumpaket von Spiel, Sport, Catering, Bootsfahrt und Übernachtung an. Und dann die Kritik." Der Bitterfelder kennt die Tücken des Engagements an der Goitzsche. "Ich habe noch mal einen Vermesser vor Ort gehabt. Alles ist im Lot", bestätigt er.

Ein mögliches Problem hat er kurz vorher selbst aus der Welt geschafft. "Ich wollte aus architektonischen Gründen ein Haus dicht in die Grundstücksgrenze stellen." Der Nachbar ist die LMBV mit dem unter Bergrecht stehenden Flutungsbauwerk. "Stimmt. Herr Jung hat seinen Antrag auf Baulast zurückgezogen", sagt Pressesprecherin Karin Franke. "Das war einfach zu viel bürokratischer und finanzieller Aufwand", so Jung. Das Haus wird weiter Richtung Zentrum gerückt.