Bitterfeld Bitterfeld: Bauleute im Reuter-Haus

bitterfeld/MZ - In das geschichtsträchtigen Haus in der Bitterfelder Burgstraße 6 werden schon bald Bauarbeiter einziehen. Allerdings nur kurzzeitig. Denn die Zukunft des sogenannten Bürgermeisterhauses bleibt ungewiss. Der Besitzer weigert sich, das einsturzgefährdete Gebäude aus dem 16. Jahrhundert zu sichern. „Der Eigentümer macht keinerlei Anstalten, die Verfügung zur Sicherung umzusetzen“, sagte Udo Pawelczyk, Sprecher des Landkreises Anhalt-Bitterfeld. Deshalb bereite der Kreis nun eine Ersatzvornahme vor. Weil die Umsetzung eilt, werde der Auftrag in einer freihändigen Vergabe erteilt. Vergangene Woche wurden Unternehmen angeschrieben.
Seit Jahren verfällt das einst stattliche Gebäude, das sich im Jahr 1596 das Stadtoberhaupt Konrad Reuter bauen ließ. Er stammte aus einer angesehenen Familie. Sein Vater, Ambrosius Reuter, war Ahnherr eines Ratsherrengeschlechts. Er war mit Martin Luther befreundet und Vormund seiner Kinder. Konrad Reuter ließ sich mit dem Renaissance-Bürgerhaus in Bitterfeld ein repräsentatives Gebäude bauen: Es war eines der ersten aus Stein, innen reich verziert und gehörte zu den markanten großen Häuser in der Stadt. Heute ist das Baudenkmal fast das einzige im Ort aus damaliger Zeit - und eine Gefahr für die Menschen.
Immer wieder stand der Landkreis mit dem Eigentümer in Kontakt, dabei ging es um Instandsetzung und Sicherungsmaßnahmen. 2011 ließ der Kreis einen Bauzaun aufstellen, weil Teile des Hauses auf die Straße zu stürzen drohten. Im vergangenen Jahr wurde der Eigentümer aufgefordert, das wertvolle Gebäude zu sichern: Per Verfügung ordnete der Landkreis Maßnahmen für die allgemeine Sicherheit an. So sollten die Schornsteine abgerissen werden. Nötig sind auch Abstützungen sowie eine dauerhafte Sicherung, damit keine losen Dachteile auf die Straße stürzen. „Gegen die Verfügung des hat der Eigentümer Widerspruch eingelegt, der Mitte Februar 2013 vom Landesverwaltungsamt zurückgewiesen wurde“, so Pawelczyk. Damit habe die Verfügung weiterhin Bestand. Der Landkreis wird sie nun umsetzen. Die Höhe der Kosten steht noch nicht fest.
Noch im Sommer 2012 war die Hoffnung groß, dass sich der Eigentümer um das marode Gebäude kümmert. Bis Juni hatte ihm der Landkreis eine Frist gesetzt, um das Haus zu sichern. Der Besitzer nahm Kontakt auf und zeigte sich kooperativ, so die Kreisverwaltung damals. Er hatte sich Bedenkzeit über weitere Schritte erbeten. Nun haben sich die Hoffnungen vorerst in Luft aufgelöst. Und der seit Beginn des Jahrtausends sprunghaft zunehmende Verfall geht weiter. Was aus dem geschichtsträchtigen Bau werden soll, ist unklar.
Rettungsversuche - beispielsweise des Vereins zur Wiederbelebung historischer Umwelt - schlugen fehl, weil der Besitzer nicht reagierte. Rund 500 000 Euro, so schätzte der Bitterfelder Ortsbürgermeister Joachim Gülland, würde eine komplett Sanierung kosten.
Doch die Bitterfelder hängen an diesem Haus. Auch am Lesertelefon der MZ ist es immer wieder Thema. „Es sieht schrecklich aus, dabei ist damit eine richtige Geschichte verbunden. Am Haus ist beispielsweise auch eine Lutherrose“, sagt Eva Höbold aus Bitterfeld. „Es muss etwas getan werden! Wenn man damit nicht bald anfängt, ist es zu spät. Eins nach dem anderen wird ruiniert, das Walther-Rathenau-Haus gibt es ja auch nicht mehr.“