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Anzeige gegen Jobcenter Anzeige gegen Jobcenter: "Das ist doch Schikane"

Von Sylvia Czajka 06.03.2013, 08:42
Birgit Hellwigs Heimtätigkeit. Hier entstehen Bürsten und Besen. Derzeit ist sie in Kurzarbeit.
Birgit Hellwigs Heimtätigkeit. Hier entstehen Bürsten und Besen. Derzeit ist sie in Kurzarbeit. KEHRER Lizenz

Hoyersdorf/MZ - Birgit Hellwig erwägt Anzeige zu erstatten - wegen Diskriminierung von Behinderten. „Man muss sich doch nicht alles gefallen lassen“, begründet die Hoyersdorferin diesen Schritt. Sie ist sauer. Denn eine Behörde hat die hilfesuchende 57-Jährige schwer enttäuscht: das Jobcenter - Kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts für Beschäftigung und Arbeit des Landkreises Anhalt-Bitterfeld (KomBA-Abi). Hellwig, die fast nichts mehr sieht, hatte dort um Hilfe beim Ausfüllen von Unterlagen gebeten. „Doch mir wurde nicht geholfen“. Die KomBA-Abi weist diese Vorwürfe zurück.

Doch was ist passiert? Birgit Hellwig ist zu 100 Prozent schwerbehindert - quasi blind. Seit 1979 bezieht sie Berufsunfähigkeitsrente und arbeitet in Hausarbeit für das Blindenwerk. Sie stellt Besen und Bürsten her. Hölzer und Rosshaar kommen per Post. In Handarbeit fügt sie alles zusammen. „Das ist für mich keine leichte Aufgabe“, sagt die Frau. Doch mittlerweile warten etliche Besen und Bürsten auf ihre überfällige Abholung. Denn die Firma, für die Hellwig arbeitet, hat auf Kurzarbeit umgestellt - auf unbefristete Zeit. „Es gab nur einen Ausweg: Ich musste einen Antrag auf finanziellen Zuschuss stellen, also auf ALG II“, erklärt Hellwig. Denn ihr Mann sei ebenfalls arbeitslos und beziehe schon lange keine Leistungen mehr vom Arbeitsamt. Ihr Geld müsse reichen für Haus und Hof, auf denen eine Kreditlast liege. Sie wolle keine Geschenke, sondern nur das, was ihr zustehe. „Ich zahle ja auch Arbeitslosenversicherung.“ Mit ihren Unterlagen fuhr sie im Februar zur KomBA-Abi nach Bitterfeld. Dort bekam sie einen Packen Unterlagen, die sie ausfüllen sollte - für die fast blinde Frau eine Sisyphus-Aufgabe. Sie habe deshalb um Unterstützung beim Ausfüllen gebeten. Doch damit stieß sie auf taube Ohren.

„Ich bekam nur zur Antwort: ,Die Zeit haben wir hier nicht.’“ Auch weitere Erklärungsversuche halfen nicht. Verärgert fuhr Hellwig nach Hoyersdorf. Dort habe sie mühevoll alles ausgefüllt und Tage später mit noch fehlenden Unterlagen wie einer Kopie ihres Kreditvertrages abgegeben. „Diesmal war ich bei einer anderen Mitarbeiterin. Die hat mir geholfen, die Lücken im Antrag zu schließen, war jedoch bei einem späteren Treffen sehr ungehalten.“ Damit sei nun alles erledigt, dachte sie. Und traute am nächsten Tag ihren Augen nicht, als sie Post der KomBA-Abi bekam. Dort wurde sie aufgefordert, eben jene bereits abgegebenen Unterlagen einzureichen. Da war für Hellwig das Maß voll. „Das ist doch Schikane!“ Die KomBA-Abi weist diesen Vorwurf zurück. „Die Mitarbeiterin hat sich jederzeit anständig und sachlich verhalten. Dies können während der Vorsprachen im Zimmer anwesende Mitarbeiter bezeugen“, teilt Werner Sell, Sachgebietsleiter im KomBA-Abi-Leistungsbereich, mit.

„Das Handeln der Mitarbeiterin war jederzeit darauf ausgerichtet, alle leistungsrelevanten Informationen zu erhalten, die für die Beurteilung des Leistungsfalles erforderlich sind.“ Sie habe ebenfalls ihr Handeln unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkung von Frau Hellwig ausgerichtet, so Sell. Natürlich seien die Antragstellung nach SGB II und das Beibringen der Unterlagen für die Bürger nicht immer einfach. Gerade deswegen sei die Abgabe meistens mit einem persönlichen Termin verbunden, um die Angelegenheiten zu besprechen und Hilfe zu leisten. Sell sieht vielmehr eine Mitschuld bei Hellwig: „Es dürfte unstrittig sein, dass die ausfallenden Bemerkungen der Bürgerin keineswegs zur Lösung des Problems beitrugen und diese auch nicht gegenüber den Mitarbeitern gerechtfertigt sind.“ Und was ist mit dem Schreiben, das die Einreichung fehlender Unterlagen wie dem Kreditvertrag fordert, die bereits vorlagen? „Da ist es zu einer zeitlichen Überschneidung zwischen der Vorsprache von Frau Hellwig und der Zustellung des Schreibens gekommen“, so Sell.