Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Eine Kirche, eine Glocke und fünf junge Männer
WADENDORF/MZ. - Immer gab es Theater mit der Kirche in Wadendorf. Das Dach. Ganz offensichtlich boten der offene Turm und das vielgestaltige Dach Wind und Wetter alle zerstörerischen Möglichkeiten. Das ging ins Geld. Bis 1828 entschieden wurde: Diese Kirche wird abgerissen, eine neue wird gebaut.
Dabei war die alte Fünfbrüderkirche ein kleines architektonisches Schmuckstück. Und dazu noch eins mit einer ungewöhnlichen Geschichte. 1735 hat sie Fürst Leopold von Anhalt-Dessau bauen lassen - "massiv in Rundgestalt mit fünf herausstehenden Ecken, die inwendig Nischen bilden", wie die Chronik sagt, das Schieferdach trug einen kleinen Turm mit fünf Säulen, in dem hing eine Glocke. Soweit die Ansicht, bei der immer wieder die Zahl Fünf eine Rolle spielt. Und das hat seine Bewandtnis, denn es hat zu tun mit fünf jungen Männern, den Söhnen von Fürst Leopold und seiner Gemahlin Anna Louise.
Als die jungen Männer unbeschadet aus dem Krieg, den Kaiser Carl VI. von Österreich gegen Ludwig XV. von Frankreich führte, heimkehrten, war die Freude des Vaters so gewaltig und der Dank an Gott so groß, dass der Fürst in seinem Reich in mehreren kleinen Orten Kirchen bauen ließ. So auch in Wadendorf. Sie war den Söhnen gewidmet, deshalb erhielt sie den Namen Fünfbrüderkirche. In ihrem Turm kündete eine Glocke, die Friedensglocke, davon.
Während die alte Kirche, deren Erhaltung sich finanziell für die Gemeinde als nahezu unmöglich erwies, abgerissen werden musste, ist die Friedensglocke mit ihrer Inschrift erhalten geblieben. Sie hängt heute im Turm des neuen Gotteshauses, das 1828 im neoklassizistischen Stil errichtet worden ist.
464 Reichstaler hat es 1735 gekostet, das gute Stück gießen zu lassen, sagt Ralf Mühlnikel, Mitglied des Gemeindekirchenrates. "79 Taler nur für die Fertigung, der Rest fürs Material", sagt er und lacht, "heute wäre es umgekehrt." Mühlnikel hat eine besondere Beziehung zu der Glocke, die im A-Ton klingt.
Denn er hat früher wie manch andere junge Männer das Läutwerk zu dörflichen Höhepunkten noch von Hand bedienen müssen. So weit so gut. Doch durfte sie nicht über Gebühr lange nachläuten. "Man musste den Schlägel einfach festhalten. Naja, so einfach war das aber nicht. Da war schon manchmal der Daumen zwischen dem schweren Schlägel und der Glockenwand", erzählt er und verzieht das Gesicht. An den Schmerz kann er sich offenbar noch ganz gut erinnern. Er nickt vielsagend. Mühlnikel meint, er erinnere sich noch genau, dass man im Dorf schon manchmal darüber lästerte, wer die Glocke läutete - ob derjenige mutig war oder eben nicht so sehr.
Die Friedensglocke übrigens ist das einzige, was aus der alten Kirche stammt, sie ist für die Gemeinde so etwas wie ein kleiner Schatz. Die Wadendorfer, berichtet er, seien froh gewesen, dass nur eine einzige Glocke im Kirchturm hängt. "Deswegen ist sie verschont geblieben von der Einschmelzung für Kriegsgerät. Denn eine Glocke musste der Gemeinde bleiben, das war Vorschrift", sagt er.
Wer die Fünfbrüderkirche in Wadendorf betritt, ist erstaunt darüber, wie karg das Gotteshaus ausgestattet ist. Das, erklärt Pfarrer Torsten Göhler, hat damit zu tun, dass diese eine Kirche der Reformierten war. Und für sie waren bildliche Darstellungen und Schmuck verpönt. "Die Menschen sollten sich ausschließlich dem Wort Gottes widmen, sich durch nichts ablenken."
Doch den Schatz der Kirche, den sieht der Pfarrer ohnehin nicht unbedingt in wertvollen Bildern, Schalen, Kelchen - er sieht ihn in den Menschen selbst, die zur Kirche gehen. Und er erzählt die Legende vom heiligen Laurentius, der als Erzdiakon von Rom für die Verwaltung des örtlichen Kirchenvermögens zuständig war. Als er eines Tages vom Kaiser aufgefordert wurde, alles Eigentum der Kirche herauszugeben, verteilte er das Vermögen an die Mitglieder der Gemeinde, versammelte alle Armen und Kranken und präsentierte sie dem Kaiser als den wahren Reichtum der Kirche.