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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Damit es weiter gehen kann

Von SILKE UNGEFROREN 13.08.2010, 16:37

BITTERFELD/MZ. - Ein Verkehrsunfall, ein Brand oder eine ähnlich schlimme Situation - ein Suizid oder ein plötzlicher Kindstod. Notdienste kommen, die Rettungskräfte versuchen, Leben zu retten. Doch manchmal gelingt es nicht oder sie kommen zu spät. Für die Helfer vor Ort eine Situation, die nicht leicht zu verkraften ist. Doch es ist ihr Beruf. Und manchmal haben sie kaum Zeit zum Nachdenken, weil der nächste Einsatz ruft.

Was dann oft zurück bleibt sind Menschen, für die sich das Leben von einer Minute auf die andere verändert hat. Sie haben einen Angehörigen oder einen nahen Freund verloren. Und sie wissen nicht, wie es weiter gehen soll - ob es so überhaupt weiter gehen kann.

"Diesen Eindrücken kann man sich nicht entziehen, auch wenn man das sicher manchmal möchte." Christian Schulert weiß, wovon er spricht. Seit fast 20 Jahren Rettungsassistent beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Bitterfeld, hat er schon viele solche Einsätze erlebt. Auch aufgrund dieser Erfahrungen hat er vor einigen Jahren nicht lange überlegt, als der DRK-Kreisverband in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Kirchenkreis Wittenberg einen Kurs organisiert hat. Und gemeinsam mit über 30 anderen Teilnehmern, die aus verschiedenen Berufsgruppen kamen, ließ er sich damals zum Notfallbegleiter ausbilden.

22 davon sind geblieben und haben im November 2006 unter Trägerschaft des DRK das Team der Notfallbegleitung gegründet. Um jenen Menschen, die in eine eingangs geschilderte Situation gekommen sind, in den ersten Stunden und Tagen nach dem grauenvollen Schicksalsschlag helfend zur Seite stehen zu können.

Heute sind es noch knapp 20 Notfallbegleiter, die ehrenamtlich im zwölfstündigen Rhythmus rund um die Uhr im Bereitschaftsdienst sind, um bei Bedarf sofort einsatzfähig zu sein. Die Einsatzrufe erfolgen von der Rettungsleitstelle des Landkreises aus. "Bei rund 60 solcher Dienste im Monat ist das relativ viel, was da auf den Einzelnen zukommt", erklärt der Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit beim DRK, Mario Schmidt. Obwohl sich die Zahl von 36 Einsätzen seit 2006 - auf die einzelnen Jahre gerechnet - in Grenzen gehalten hat: Im Bereitschaftsdienst zu sein heißt abrufbereit sein. Und das ist manchmal nicht leicht zu händeln, weil ja auch noch Beruf und nicht zuletzt Familie und Freizeit ihr Recht verlangen.

"Deshalb sind wir auf der Suche nach Interessenten, die sich vorstellen können, als Notfallbegleiter tätig zu sein und unser Team zu verstärken", sagt Mario Schmidt. "Natürlich nach einer entsprechenden Ausbildung, die wir als DRK vermitteln und die für die Teilnehmer kostenlos ist." Besondere Voraussetzungen - vor allem in beruflicher Hinsicht - sind dafür nicht erforderlich, wenn man von einem Mindestalter von 18 Jahren ausgeht. "Allerdings sollten die Leute schon selbst gefestigt sein und einschätzen können, dass sie solche Einsätze für sich zu verarbeiten in der Lage sind", betont Christian Schulert.

Der 38-Jährige erzählt, worauf es ankommt. "Wir kommen, wenn andere gehen." So lautet nicht nur das Motto des Notfallbegleitungsteams - so ist es auch. "Und dann muss man einfach da sein für die Menschen, für die gerade eine Welt zusammengebrochen ist." Dabei seien die Reaktionen ganz unterschiedlich. Die meisten Betroffenen seien hilflos und hätten Angst, dass sie das Ganze nicht bewältigen können. Manche würden schreien, andere gar nichts sagen. Hinzu kämen Niedergeschlagenheit, Orientierungslosigkeit und Schuldgefühle. "Am meisten hilft dann reden", sagt Schulert. "Die Leute trösten, ihnen Mut machen." Versuchen, sie dazu zu bringen, dass sie wieder selbstständig handeln - und wenn es nur ein kleines bisschen ist. "Wenn dann solch ein Mensch aufsteht und dir selbst einen Kaffee kocht, dann ist das schon ganz viel. So etwas wie ein erster Schritt."

Das Notfallbegleitungsteam trifft sich einmal im Monat, um ebenfalls vor allem miteinander zu reden. Die Einsätze auszuwerten, Erfahrungen auszutauschen und nicht zuletzt, "um das Erlebte auch selbst besser verarbeiten zu können", sagt Schulert. "Denn es steht auch die Frage: Wer hilft den Helfern?" Er habe selbst schon erlebt, dass insbesondere junge Rettungskräfte manchmal total überfordert waren, wenn sie einen schlimmen Einsatz hinter sich hatten.

Auch Schulert und das gesamte Team würden sich sehr freuen, in ihren Reihen Verstärkung zu bekommen. Schulert verweist deshalb noch einmal auf die Ausbildung, die unter anderem von Landespolizeipfarrerin Thea Ilse vorgenommen wird: "Da bekommt man unheimlich viel vermittelt. Sie schafft es auch, einem beizubringen, die eigenen Grenzen auszuleuchten."

Wer Interesse hat, als Notfallbegleiter zu arbeiten, kann sich an den DRK-Kreisverband Bitterfeld wenden.

Das ist möglich per Telefon unter

03493 / 3 76 20 oder per E-Mail unter

[email protected]